2017

Leo Lukas: Ich werde es ihnen nicht geben, unser Bestes.

4

Ich gebe zu, dass ich mit meiner Einschätzung der neuen Regierung total falsch liegen könnte.

Schließlich habe ich mich schon oft geirrt. Aber hallo, keine Frage!

Vielleicht wurde ich ja in meiner Kindheit und Jugend indoktriniert, hauptsächlich von katholischen Geistlichen und mindestens ebenso engagierten „Laien“. Mir gefiel die „Frohe Botschaft“ des Christentums so sehr, dass ich mit 14 ein Lied schrieb, welches noch heute von Jungscharkindern landauf, landab gesungen wird: „Es ist schön, solche Freunde zu haben …“

Später studierte ich Theologie, bis kurz vor der Diplomprüfung. Mittlerweile glaube ich nicht mehr an einen historischen Jesus (die Quellen sind äußerst dürftig); oder nicht mehr, als an einen realen Perry Rhodan oder James T. Kirk; oder, dass jemals tatsächlich Frauen namens Dornröschen, Aschenputtel oder Schneewittchen gelebt haben. Aber die Geschichten, die über sie erzählt werden … Daran glaube ich. Denn es sind gute, tröstliche, aufbauende Geschichten.

An der Geschichte vom Jesuskind gefiel und gefällt mir, dass sie die Nöte der Allerärmsten thematisiert. Maria und Josef – der nicht der leibliche Vater ist – bekommen kein menschenwürdiges Quartier, sondern nur prekären Unterschlupf in einem stinkigen Viehstall, neben Ochs und Esel. Bald darauf müssen sie nach Ägypten aufbrechen, aus Angst vor Herodes, als völlig mittellose Flüchtlinge … usw.

Als Jesus (in dieser wunderbaren Story) erwachsen ist und zurück in Judäa, verkündigt er einige der tollsten Sätze der Literaturgeschichte. Er erklärt sich zum „Sohn Gottes“, und alle anderen Söhne und Töchter gleich mit. Er überwindet das alttestamentarische Prinzip der Vergeltung bzw. Entschädigung („Auge um Auge, Zahn um Zahn“), und bietet stattdessen den Gedanken der Nächstenliebe an. Jesus von Nazareth solidarisiert sich mit den Schwächsten: „Was ihr dem geringsten meiner Geschwister antut, das habt ihr mir angetan.“ (Mt 25,41)

So.

Die führenden Protagonisten der neuen österreichischen Regierung beziehen sich gern auf „unsere Werte“. Der eine oder andere fuchtelt dabei auch schon mal mit einem Holzkreuz herum. Allerdings befürchte ich, dass sie nicht verstanden haben, oder vielmehr nicht verstehen wollen, worin „unsere christlichen Werte“ im Kern bestehen.

Für mich: Liebe deine jeweils Nächsten, wie auch dich selbst. Egal, wer oder was oder wo du bist, und egal, wie oder als wer sie dir ins Blickfeld laufen. Sie sind deine Nächsten. Gestehe ihnen dieselbe Menschlichkeit, dieselbe Humanität, mindestens dasselbe positive Potenzial zu wie dir selbst.

Im aktuellen Regierungsprogramm finde ich nichts davon. Im Gegenteil: Es strotzt vor Misstrauen gegen die Ärmsten, vor mehr oder weniger verschwurbelt angekündigten Maßnahmen zur Abwehr jeglicher Fremden, jeglicher Vermeidung geistiger Inzucht. Der Jesus aus jener Geschichte, die ich so liebe, würde diese Geisteshaltung zutiefst ablehnen.

[Liest das hier eigentlich noch irgendjemand?]

Falls doch, möchte ich – als deklarierter Atheist – trotzdem alle, die wie ich von der frohen Botschaft des Christentums geprägt sind, dazu aufrufen, gegen den schändlichen Missbrauch „unserer Werte“ Position zu beziehen. Herr Kardinal, die Herren Bischöfe, die Herren Pfarrer und Kapläne, liebe Pfarrersköchinnen und Jungscharführer_innen – ihr seid gefragt und gefordert!

Was in unserem schönen Land gerade vorbereitet wird, ist erstens perfid, zweitens dumm und vor allem drittens: alles andere als „christlich“. Man fantasiert eine Bedrohung herbei (und manipuliert dafür auch mal, weil’s sonst nicht passen würde, wissenschaftliche Studien), bloß um an die Töpfe der Macht zu gelangen. Ohne Rücksicht auf die Kollateralschäden. Einer der lautesten Gröler skizziert bereits Flüchtlingsghettos am Stadtrand von Wien, sinngemäß: Konzentrationslager.

Herr Kardinal, die Herren Bischöfe, die Herren Pfarrer und Kapläne, liebe Pfarrersköchinnen und Jungscharführer_innen – wollt ihr das wirklich mittragen, und später vor euren Kindern verantworten müssen?

Wie gesagt, ich kann mich irren. Ich habe mich schon oft geirrt.

Ich gebe zu, dass ich mit meiner Einschätzung der neuen Regierung total falsch liegen könnte. Vielleicht sind die wesentlichen Personen viel schlauer, viel erfahrener und gebildeter als ich.

Vielleicht wollen sie ja nur unser Bestes. Aber bitte erlaubt mir zu proklamieren: Ich werde es ihnen nicht geben, unser Bestes. Nicht zum Missbrauch preisgeben. Unsere Geschichten, unsere Hoffnungen. „Unsere Werte“. Nicht ohne Widerstand. Mit allem, was ich, alt und auch schon ein bisschen müde, noch dagegen aufzubringen vermag.

Gleichwohl, liebe Leute, liebe Menschenkinder, ob gläubig oder nicht: Frohe Weihnachten! Und einen guten Rutsch ins neue Jahr – was auch immer es uns bringen wird.

Leo Lukas, Kabarettist, Schriftsteller und Regisseur
19.12.2017

P. Franz Helm: Umfassende Lebensmöglichkeiten eröffnen

1

Weihnachten ereignet sich an den Rändern und betont die gleiche Würde aller Menschen

[Wien, 20. Dez 2017] Der Generalsekretär der Männerorden P. Franz Helm betont in seiner Weihnachtsbotschaft für die Ordensgemeinschaften das wache Sehen und wünscht: „ Wache Weihnachten, weil Weihnachten das Fest des wachen Sehens ist, es ereignet sich in einer Welt, die auch Ränder hat. Diese Ränder wollen wir sehen und die Menschen am Rand teilhaben lassen an unserer Weihnachtsfreude. Auch die Hirten und Magier waren Randgestalten, sie kamen aus der Ferne.“ Dazu betont Helm den gemeinschaftlichen Aspekt von Weihnachten: „Gemeinsam soll Weihnachten gefeiert werden, denn unser Gott ist einer, der in Beziehung geht und steht. Er ist mit seiner Familie da, die Hirten und viele andere kommen um das Fest der Gemeinschaft zu feiern. Wir wünschen Ihnen, dass Sie wirkliche Gemeinschaft erleben. So, wie alle Ordenschristinnen und Ordenschristen versuchen, gut in Gemeinschaft zu leben.“ Außerdem redet der Generalsekretär einfachen Weihnachten das Wort: „Und einfach sollen Ihre Weihnachten sein, denn auch Gott kommt ins Einfache. Vollkommen reduziert als Kind kommt er auf uns zu. Wir wünschen Ihnen von Herzen, dass es auch Ihnen gelingt, sich aufs Wesentliche zu reduzieren.“

In Richtung neues Regierungsprogramm

In Hinblick auf das neue Regierungsprogramm hält P. Helm in diesen Tagen fest: „Aufgrund ausgrenzender Tendenzen, die dem neuen Parteiprogramm zugrunde liegen, wie etwa gegen Asylsuchende oder gegenüber sozial Schwächeren, wird es eine hellwache Opposition brauchen, die alle kommenden Maßnahmen durchleuchtet. Weihnachten betont die gleiche Würde aller Menschen und Gott selber hat am Rand, bei den Hirten, draußen unter den einfachsten Menschen Platz genommen. Das ist die unmissverständliche Aufforderung an uns Christinnen und Christen, genau die Ränder in den Blick zu nehmen und in die Gesellschaft hereinzuholen oder ihnen am Rand umfassende Lebensmöglichkeiten zu eröffnen. Der Zusammenhalt einer Gesellschaft wird nur gelingen, wenn wirklich alle, gerade auch die Schwächsten, mitgenommen werden. Mögen auch einzelne Punkte des Regierungsprogrammes wie die Sicherung des Religionsunterrichtes von kirchlichen Personen positiv betrachtet werden, so ist die Grundtendenz der Ausgrenzung entlang des Sündenbockmechanismus und die Boulevardisierung in der Kommunikation kritisch zu sehen.“

Link zum Video mit dem Weihnachtswunsch von P. Franz Helm, Generalsekretär der Männerorden:

https://youtu.be/5AHuE9lGKX8

 

Stephan Schulmeister: Video zum aktuellen Regierungsprogramm

6

Liebe Leut‘,
im Regierungsprogramm gibt es einige Punkte wie der Arbeitsdienst für Bezieher von Mindestsicherung (und damit auch der Langzeitarbeitslosen) oder die Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die bisher kaum beachtet wurden.

Friedel Hans hat daher wieder ein Aufklärungsvideo mit mir gemacht.

In einem Gedicht heisst es: „Dabei wissen wir doch, auch der Hass gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge, auch der Zorn über das Unrecht macht die Stimme heiser……“ Also konzentrieren wir uns auf das Nachdenken, Erklären, Zusammenschließen……

Besinnliche Weihnachten wünscht
Stephan Schulmeister

Traude Novy: Angst isst Seele auf oder eine Vision vom geglückten Leben

1

Derzeit höre ich viel von den Ängsten der Menschen, die man doch ernst nehmen müsse. Diese Konzentration auf negative Gefühle und die intensive Beschäftigung damit auf allen Ebenen wo Auseinandersetzung geschieht, von der Politik, den Medien bis zum Gespräch im Freundeskreis lähmt unsere Antriebskraft und unsere Lust auf die eigenmächtige Gestaltung unserer Lebenswelt.

Rainer Werner Fassbinder hat in dem Film „Angst essen Seele auf“ aus dem Jahr 1974 die Probleme eines marokkanischen Gastarbeiters in Deutschland thematisiert – und dabei deutlich gemacht, wie die Angst ein gutes Zusammenleben zerstört.  Dieser Film ist aktueller denn je. Gerade im Advent wäre es aber den Versuch wert, den Blick auf das Gute, dem wir begegnen zu richten,  statt uns die Seele von der Angst auffressen zu lassen. Was könnten wir also zum Guten Leben für alle beitragen, damit die Hoffnung die Angst besiegt?

Wenn ich mir die öffentliche Diskussion anhöre, so lassen sich die Ängste, von denen Menschen beherrscht werden, vorwiegend  in folgende Bereiche einordnen:

– Da gibt es die Angst durch Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern die eigene Kultur, Tradition und die eigenen Werte zu verlieren.

– Viele Menschen haben Angst davor, keinen Arbeitsplatz zu bekommen, oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren

– damit verbunden ist die Angst vor sozialem Abstieg, dass es den eigenen Kindern einmal schlechter gehen wird

– es gibt auch die Angst, durch die Zugehörigkeit zur EU nationale Identität zu verlieren.

-es gibt aber auch die Angst jener, die durch die angstgetriebene Suche nach einem starken Mann und zunehmender kritikloser  Hinnahme autoritärer Regierungen, um den Fortbestand der Demokratien in Europa fürchten.

Entscheidend für eine hoffnungsvolle Zukunft wird es sein, diesen Ängsten Handlungsmöglichkeiten und eine Vision vom geglückten Leben entgegenzusetzen.

Zur Angst vor Zuwanderung wäre zu sagen: In einer Welt, wo der Austausch von Waren rund um den Globus alltäglich ist, wird es nur unter Anwendung von grausamer Gewalt möglich sein, Menschen daran zu hindern, vor Krieg, Hunger und Unterdrückung zu fliehen. Unsere mitteleuropäischen Länder werden bunter werden, egal was wir tun. Wie kann aber dieses Zusammenleben glücken?

Statt uns auf die unbestrittenen Probleme zu konzentrieren, kann es uns doch eigentlich glücklich machen, was wir seit dem September 2015 geschafft haben. Gestern hat sich der junge Afghane, der seit fast 2 Jahren bei uns wohnt, telefonisch mit einem syrischen Flüchtling in fast makellosem Deutsch unterhalten – da wachsen auch junge Mitbürger und Bürgerinnen heran, die gerne hier in Österreich leben und unsere Gastfreundschaft sehr schätzen und die ihren Beitrag zu unserem Gemeinwesen leisten werden – das macht mich glücklich!

Ich bin allerdings nicht so naiv zu glauben, dass diese Integration einfach und billig zu haben ist. Sprechen wir doch einmal statt von unseren Ängsten, von den tausenden Menschen, die Flüchtlinge in verschiedener Form begleiten und unterstützen – vom Lernen mit Kindern angefangen bis zum Sport und Freizeitgestaltung und der Begleitung im Alltag und bei Behördenwege.  Diese Begegnungen sind zumeist für beide Seiten bereichernd und tragen dazu bei unser Land für alle lebenswert zu machen. Wir können alle stolz auf das große solidarische Potential in unserer Gesellschaft sein.

Die Angst den Arbeitsplatz zu verlieren, ist eine sehr konkrete – auch dagegen hilft nur die Solidarisierung. Eine Ich-AG kann erfolgreich sein, aber sehr schnell auch abstürzen. Zusammenschlüsse von KleinunternehmerInnen, die helfen, das Risiko zu minimieren, stärken da Gemeinschaftsgefühl und ermöglichen politische Einflussnahme. Es ist auch nicht altmodisch, sich gewerkschaftlich zu organisieren, um Gegenmacht zu den Thinktanks der Industriellenvereinigung zu entwickeln.

Nur Kooperation statt einseitiger Konkurrenz bewahrt uns vor (Selbst-)Ausbeutung und lässt uns in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt neue Arbeitsformen, Arbeitszeitverkürzung  und auch einen neuen Blick auf die Wertschöpfung in der Gesellschaft andenken. Das, was jemand für die Gesellschaft leistet, muss danach beurteilt werden, welchen Beitrag zum Guten Leben für alle durch diese Leistung entsteht – Finanzieller Gewinn ist da eine sehr mangelhafte Messlatte. Viele solidarökonomische Betriebe haben sich auf den Weg gemacht, von Beteiligungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft bis zu neuen Genossenschaftsmodellen, wie sie z.B. die Fairtrade-Bekleidungsinitiative „Göttin des Glücks“ gerade versucht.

Der Angst vor dem materiellen Abstieg der nächsten Generation müssen wir alle entgegenwirken, indem wir daran arbeiten, unser Wirtschaftssystem wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das Auseinandertriften der Vermögen und Einkommen hat auch in unserem Land abstruse Ausmaße angenommen. Wenn 1 % der Bevölkerung 40% des Gesamtvermögens besitzt, dann zerstört das unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es ist erwiesen, dass immer mehr Reichtum nicht glücklicher macht – Armut allerdings macht unglücklich. Dagegen müssen wir etwas unternehmen.

Es ist dringend nötig, dass wir lernen, Wirtschaft anders zu denken und den Arbeitsbegriff zu erweitern. Die Arbeit im Sozialbereich ist meist schlecht – oft auch gar nicht bezahlt – aber sie ermöglicht jenen die diese Arbeit tun ein erfülltes Leben und jenen, an und mit denen diese Arbeit getan wird, geglückte Teilhabe an der Gesellschaft.  Das muss sich auch in der Entlohnung auswirken und es ist höchst an der Zeit, dass sowohl Männer wie auch Frauen sich gleichermaßen an dieser sozialen Arbeit beteiligen können.

Die Frage muss erlaubt sein  „welche Arbeit nützt der Gesellschaft?“, damit die Überschätzung der Leistung in der Finanzwirtschaft und im digitalen Bereich korrigiert werden kann und in diesen Bereichen mehr Kontrolle ermöglicht wird. Die Initiative „christlich geht anders“, der sich bereits viele Menschen angeschlossen haben, hat es sich zur Aufgabe gestellt, Solidarität und die Option für die Armen als die Kernbotschaften unseres Glaubens wieder zu stärken. Unterstützen wir diese Initiative und mischen wir uns in die politische Diskussion ein, weil es um unser aller gutes Leben und um die Zukunft unserer Kinder geht.

Wenn wir uns fragen, was uns wirklich glücklich macht, so rangiert wahrscheinlich der Wunsch nach mehr Geld nur bei den wirklich Benachteiligten ganz weit vorne, alle anderen verbinden mit Glück ganz andere Vorstellungen – eine glückliche Familie, Zugang zu Kunst und Kultur, eine gesunde Umwelt, ein Wohnbereich, der Möglichkeiten für Begegnungen, Freizeitgestaltung und zum Feste feiern bietet, ohne dass dafür unbedingt etwas bezahlt werden muss, sichere öffentliche Räume. Ein ängstlich gehütetes großes Bankkonto ist hingegen oft hinderlich für den Lebensgenuss – weil es den Blick von den wirklichen Freuden ablenkt und die Angst es zu verlieren, die Lebensfreude einschränkt.

Gerade im Advent ist es an der Zeit, uns nicht von unseren Ängsten niederdrücken zu lassen, sondern die größere Hoffnung in uns zu nähren.  „Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet ihn herab“, diese Zeilen eines  alten Liedes und so vieles was wir in diesen Wochen an prophetischen Worten und Mutmachliedern nicht nur in den Kirchen hören,  geben Hoffnung wider jede Hoffnung, sind Kraftquelle und Stärkung damit wir unsere Ängste loslassen können und sie nicht Schaden an unserer Seele anrichten. Dann kann Weihnachten kommen und uns die große Freude für alle verkünden.

Traude Novy, Bloggerin

edeltraud.novy@aon.at

Stephan Schulmeister und KAB: Regierung soll nicht spalten

Steuersenkungen steigern Ungleichheit – gekürzte Sozialleistungen produzieren Armut.
Sozialstaat fördert menschenwürdiges Leben für alle.

Mitinitiator des Aufrufs zum Schutz des Sozialstaats, Schulmeister, weist auf geplante Umverteilungen zugunsten der Gutverdiener hin – „Der soziale Grundsatz, dass jedes Kind gleich viel wert sein soll, wird aufgeweicht“

Wien, 28.11.2017 (KAP) Stimmen in der vor einem Jahr gegründeten Sozialstaatsschutz-Initiative „Christlich geht anders“ – prominentester Unterzeichner ist der Salzburger Erzbischof Franz Lackner – äußern die Befürchtung, dass Türkis-Blau eine Regierung „der Spaltung der Gesellschaft“ wird. Ein Jahr nach dem Start der Initiative (www.christlichgehtanders.at) wurde dies beim Vikariatstag der „Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung“ (KAB) am Sonntag im niederösterreichischen Lanzenkirchen (Südvikariat der Erzdiözese Wien) thematisiert, wie es in einer KAB-Aussendung von Dienstag heißt.

„Christlich geht anders“-Mitinitiator Stephan Schulmeister hob die Notwendigkeit eines gut funktionierenden Sozialstaates hervor und wies auf Bedrohungen, insbesondere geplante Umverteilungen zugunsten der Gutverdiener, hin: „Die Aussagen der Parteien, die gerade ihr gemeinsames Regierungsprogramm verhandeln, lassen hier Auswirkungen befürchten, die eine zunehmende Ungleichheit, ja eine Spaltung der Gesellschaft forcieren.“ Neoliberale Wirtschaftsideen spielten die Menschen gegeneinander aus und brächten eine Aushöhlung des Sozialstaates mit sich.

Als Beispiel nannte Schulmeister die Abschaffung der Körperschaftssteuer, die nur die obersten drei Prozent massiv entlaste. „Und durch den sogenannten Steuerbonus auf jedes Kind, werden nur die sehr gut Verdienenden, mit über 2.500 Euro Bruttolohn, entlastet. Damit wird der soziale Grundsatz, dass jedes Kind gleich viel wert sein soll, aufgeweicht. Tatsächlich geschieht dadurch eine Umverteilung von unten nach oben“, so der Experte.

Das christliche Menschenbild ziele aber „auf die gleiche Würde aller Menschen“, unterstrich Schulmeister. Daher sei eine Ungleichbehandlung von Kindern grundsätzlich abzulehnen. Ganz im Gegenteil müsse gerade hier angesetzt werden, um Benachteiligung aufgrund von sozialen Umständen entgegenzuwirken. Mit der für alle in gleicher Höhe ausbezahlten Kinderbeihilfe werde hier von vornherein einer staatlichen Ungleichbehandlung entgegengewirkt, legte der Wissenschaftler dar.

Staatliche Leistungen im Rahmen der Bildungs- und Familienpolitik erleichterten zudem die gesellschaftliche Teilhabe und Integration. Sie ermöglichten damit einen gesellschaftlichen Aufstieg und erzeugten so ein Mehr an Chancengerechtigkeit.

Schulmeister griff auch die Debatte um die Kürzung der Kinderbeihilfe für Kinder, die nicht in Österreich leben, auf. Dieses Vorhaben werde vorrangig Kinder von 24-Stunden-Betreuerinnen treffen. Wenn hier also mit Kürzungen angesetzt werde, ohne die Entlohnung zu erhöhen, so sei das ein Skandal, der diese Frauen und ihre Kinder empfindlich, ja existenziell treffen werde.

Der „Christlich geht anders“-Mitinitiator stellte einen direkten Bezug zwischen der Katholischen Soziallehre und dem europäischen Sozialstaatsmodell her. Modifizierungsbedarf sehe er im Arbeitsbereich, in der Abkehr vom Dogma der notwendigen Überproduktion, welche letzten Endes sowohl die Umwelt als auch die Menschen schwer belaste.

Schulmeister stellte zum Schluss die grundsätzliche Frage nach dem Guten Leben für alle, nach neuen Arbeitsmodellen und Arbeitszeitmodellen, und er betonte die Notwendigkeit, sich nicht entmündigen zu lassen, sondern sich einzumischen. Dies habe Papst Franziskus von verantwortungsvollen Christen und Christinnen eingefordert.

 https://www.kathpress.at/goto/meldung/1571507/initiative-christlich-geht-anders-regierung-soll-nicht-spalten

 

Die prägnantesten Aussagen haben wir in einem sozialwort-TV-Kurzvideo zusammengefasst (8min): 

https://www.facebook.com/kaedwien/videos/1365019400290291/

Hans-Peter Lang: Christlich geht anders, weil …

Schaffen wir es, die wir in den reichen Ländern der Erde leben, uns auf eine solidarische Lebensweise umzustellen, zu teilen und allen Menschen eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben zu geben? Die Propheten des Alten Testaments wie Jesaja oder Amos beklagten die verbreitete Ungerechtigkeit und Ausbeutung in ihrem Volk und sagten schlimme Folgen voraus. Auch die Geschichte der letzten Jahrhunderte lehrt uns:

Gerechtigkeit ist die entscheidende Basis für Frieden. Ungerechte soziale Verhältnisse, radikale Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen sowie große Unterschiede im Wohlstand zwischen Ländern und Kontinenten machen ein friedliches Miteinander unmöglich.

Christlich geht anders – das habe ich vor 30 Jahren eindrucksvoll durch Monate in einem afrikanischen Dorf erlebt, das vermisse ich heute zunehmend schmerzvoll hier in unserem Land und in Europa bei vielen politischen Schritten. Da brauchen wir eine echte Wende im Denken und Tun, denn: Christlich geht anders!

Hans-Peter Lang
Univ.Prof. für Waldbau i.R., Leiter des Forums Gesellschaftsverantwortung beim „Weg der Versöhnung“

Redebeiträge beim Flashmob: Mayer, Schulmeister, Pernsteiner, Haidinger

 

Elisabeth Mayer, Katholische Aktion Österreich, Präsidentin der Katholischen Aktion Salzburg

KA – keine Angst!

Wie würde die Welt, auch die kleine in Österreich, heute ausschauen, wenn nicht vielen handelnden Personen die Angst im Nacken säße? Die Angst vor dem Fremden, die Angst vor Wohlstands- und Machtverlust, die Angst, sich unbeliebt zu machen oder altmodisch zu wirken. Angst, Misstrauen und Pessimismus dürfen nicht das Handeln von Christinnen und Christen bestimmen.
Das Schüren von Ängsten darf nicht durch Wählerstimmen belohnt werden. Christlich geht anders: Hoffnung statt Angst. Aufbauen statt niedermachen. Integrieren statt ausgrenzen. Katholische Aktion heißt für mich daher auch KA – keine Angst!
Im Vertrauen auf den Heiligen Geist müssen wir uns nicht fürchten, wenn wir als Katholische Aktion für mehr Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität in der Gesellschaft eintreten.

 

Stephan Schulmeister, Wirtschaftsforscher

Der Sozialstaat ist die bedeutendste gesellschaftliche Innovation Europas. Sein Bestand und seine Erneuerung stehen im Zentrum der christlichen Soziallehren (siehe das „Sozialwort der christlichen Kirchen in Österreich“), er bildet die Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft und des Europäischen Sozialmodells.

Doch seit den 1970er Jahren hat der zunehmende Einfluss der (alten) Wirtschaftheorie, wonach nur die Konkurrenz von Individuen durch eine „unsichtbare Hand des Markts“ das allgemeine Beste zustande bringe. Daher wurden die Finanzmärkte „ent-fesselt“, Unternehmertum erschwert, Finanzspekulation gefördert. Das Wirtschaftswachstum sank, Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung stiegen. Und so wurde die Schwächung des Sozialstaats zu einem „Sachzwang“ (gemacht).

Deshalb nehmen prekäre Beschäftigung, Armut und Ausgrenzung seit langem zu, die berechtigten Gefühle der Verbitterten werden gegen „Sündenböcke“ gerichtet wie Flüchtlinge, Zuwanderer aus östlichen EU-Ländern (sie wollen unser Sozialsystem ausnützen – nur als billige Pflegerinnen sind sie uns willkommen), oder gegen „das“ System, „die“ EU, etc.
Dagegen müssen wird Widerstand leisten, klare Aussagen von Papst Franziskus geben die (Verteidigungs)Linie vor (aus der Enzyklika „Evangelii Gaudium“):
„Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht. Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt…….“ (Abschnitt 53)
„Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit. Dieses Ungleichgewicht geht auf Ideologien zurück, die die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspekulation verteidigen“ (Abschnitt 56).

  

Veronika Pernsteiner, Vorsitzende der kfb – Kath. Frauenbewegung Österrreichs

Soziale Gerechtigkeit meint immer auch Geschlechtergerechtigkeit. Die christliche Soziallehre begreift den Sozialstaat als wesentlichen Faktor bei der Herstellung und Stabilisierung sozialer Gerechtigkeit. Er ist also auch ein Bekenntnis dazu, dass Männer und Frauen gleichermaßen teilhaben sollen an Ressourcen und Chancen in einer Gesellschaft. Wo der Sozialstaat in Frage gestellt, geschmälert oder gar abgebaut wird, werden immer auch und in erster Linie Teilhabemöglichkeiten und Ressourcen von Frauen in Frage gestellt, geschmälert oder gar abgebaut.

Herabgesetzte Mindestsicherung, die Streichung  oder der mangelnde, verschleppte Ausbau öffentlicher infrastruktureller Leistungen: es sind Frauen, die zuerst und stärker betroffen sind – weil sie ohnehin unter Nachteilen leiden, Kinder alleine erziehen nach einer Trennung (90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen), in Niedriglohnbranchen tätig sind (die Niedriglohnbranchen sind, weil dort hauptsächlich Frauen beschäftigt sind), vom Erwerbsarbeitsmarkt teilweise oder ganz ausgeschlossen sind, weil sie jene private Sorgearbeit tun, für die es keine professionellen, bezahlbaren Anbieter gibt.

Es sind in erster Linie Frauen, die die Auswirkungen einer neoliberal ausgerichteten Wirtschaft und Gesellschaft zu spüren bekommen, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die mangelnde Umverteilungswirkung eines Steuersystems. 5 % der österreichischen Bevölkerung verfügen über die Hälfte des gesamten Vermögens in diesem Land, Männer besitzen deutlich mehr als Frauen, mit zunehmender Größe des Vermögens wächst der Abstand.

Ein starker Sozialstaat ist möglich. Er ist das Ergebnis politischer Entscheidungen: für eine gerechte Umverteilung, für ein Bekenntnis zur Würde eines jeden Menschen, für seine existentielle Absicherung unabhängig von seiner Leistung, unabhängig vom Geschlecht.

Wo dies in Abrede gestellt wird, wo Menschen in „Würdigere“ und „Unwürdigere“ eingeteilt werden, Sündenböcke für künstlich erzeugte Defizite herhalten müssen, haben sich die dafür Verantwortlichen – PolitikerInnen, Medienschaffende, Menschen an Stammtischen, in Vereinen oder in der Nachbarschaft – von einem christlichen Ethos verabschiedet. „Christlich“ geht anders.

 

Abtpräses Christian Haidinger, Vorsitzender der männlichen Ordensgemeinschaften

Warum hat sich „Christlich geht anders“ formiert und warum stehe ich als Ordensmann zu dieser Initiative?

Schon mehr als zwei Jahre beobachten wir, dass der Umgang mit der sozialen Frage in Österreich in eine Richtung geht, die viele Menschen in unserem Land zutiefst beunruhigt. Gerade in den letzten Wochen intensiver Wahlwerbung wird dies immer deutlicher.

Die Blickrichtung ist nicht mehr eine umfassende Solidarität, nicht mehr der Zusammenhalt aller Menschen, die in Österreich leben.

Nicht mehr das solidarische Mittragen und Mitnehmen  benachteiligter Menschen, die nicht mehr genug Möglichkeiten für ein gutes Leben vorfinden, steht im Fokus der gesellschaftlichen Anstrengungen, sondern Abgrenzung, Ausgrenzung und Ausschließung.

Ich nenne aus meiner Sicht drei Beispiele:

  1. Individuelles Gewinnstreben dominiert über gelebte Solidarität. Unsicherheit und Angst macht sich breit. Dafür werden „Sündenböcke“ gesucht: die Flüchtlinge, die Muslime, die Fremden. In diesen Vorwahlzeiten lässt sich damit argumentieren.
  2. Das soziale Netz wird verkleinert anstatt es zu verdichten, damit niemand durchfallen muss. Denken sie an die Kürzungen der Mindestsicherung.
  3. Der Sozialstaat wird als Feind stilisiert. Es wird so getan, als ob er uns unberechtigt Geld aus der Tasche nehmen würde. Dabei beneidet uns die ganze Welt um diese Strukturen, die Armut und ein breites Hinausfallen verhindern.

Persönlich und als Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Orden stehe ich voll und ganz hinter den Grundanliegen von „Christliche geht anders“!
Genau diese oben geschilderten Entwicklungen haben Menschen, vor allem auch Verantwortliche, aus den verschiedenen Kirchen zusammengeführt, um im „Sozialwort der christlichen Kirchen“ (2003) diesen „entsolidarisierenden Kräften“ entgegenzuwirken.
Vieles, was dort gefordert wurde ist heute aktueller denn je.

Aus der Wissenschaft, der Wirtschaft melden sich gegenwärtig wieder verantwortungsbewusste Menschen zu Wort – wie etwa Stephan Schulmeister oder Emmerich Tálos, um eine neue Solidarität einzufordern! Ich bin dankbar für diese fundierten und kritischen Beiträge zu den laufenden Entwicklungen.
Aber vielleicht fragen sie sich, warum ich als Ordensmann mich in diesem so aktuellen gesellschaftlichen Diskurs exponiere?
Als Ordensleute leben wir nicht abgeschlossen hinter dicken Klostermauern, sondern mitten in der Welt, – auch gemäß dem Auftrag Jesu: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium!“

Gerade auch Papst Franziskus ruft uns Ordensleute – und letztlich alle ChristInnen auf, „an die Ränder“ zu gehen, dorthin, wo Menschenrechte und Menschenwürde mit Füßen getreten werden. Es ist kein Zufall, dass die erste Reise des gegenwärtigen Bischofs von Rom nach Lampedusa ging, – und seither schon an viele „Ränder“ dieser Welt! Leben in der Nachfolge Jesu fordert dazu heraus, mit und bei den Armen und Schwachen und Hilflosen zu sein!

Wenn es um tiefgehende Entwicklungen in der Gesellschaft geht, dann gilt es hellwach zu sein und genau zu beobachten. Wir können nicht mitansehen und passiv daneben stehen, wenn auf die großen sozialen Fragen entsolidarisierende Antworten gegeben werden.
In Gemeinschaft mit den Ortskirchen stehen auch die Ordensgemeinschaften dafür, dass jede und jeder unabhängig von seinem Einkommen und den Leistungen den entsprechenden Platz bekommt. Das ist in den klösterlichen Gemeinschaften selbst so und das ist auch der soziale Auftrag der Orden in die Gesellschaft hinein.

Viele Ordensgemeinschaften sind bekannt dafür, dass sie Akuthilfe leisten, soviel nur möglich ist. Wenn aber, wie es jetzt aussieht, der Sozialstaat löchriger wird, die Viel-Habenden weniger beitragen sollen und das Steuersystem auf ungerechte Weise aufgeweicht wird – woher bitte sollen 14 Milliarden kommen, die eingespart werden müssen (diese Zahl ist mir kürzlich genannt worden) -, dann müssen wir warnend unsere Stimme erheben.

Ich erhebe daher die fordernde Bitte:
Arbeiten wir in Richtung gerechter Strukturen, in Richtung eines Sozialstaates, der diesen Namen verdient!
Balancieren wir diese immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich neu aus auf eine gerechte Besteuerung hin, damit das soziale Netz nicht kleiner, sondern für alle und mit allen tragfähiger wird.
Die Sozialen Fragen verdienen solidarische Antworten und nicht den Egoismus von Wenigen.

 

Martin Schenk: Warum wir gerade jetzt ein starkes soziales Netz brauchen.

1

„Der Neid sagt: Du oder ich, aber nie: Wir beide.  Der Grund, einem anderen etwas nicht zu gönnen, ist so stark, dass man selber den Nachteil in Kauf nimmt. Umgekehrt formuliert: Der Neid schadet einem selbst, weil man sich das, was einem nützt, selbst versagt. Der Neid narkotisiert den eigenen Genuss. Die Mindestsicherung ist ein gutes Beispiel. In Niederösterreich und jetzt auch in Oberösterreich wird Asyl als Grund für die Kürzungen vorgeschoben, aber es trifft Alleinerziehende, familienreiche Kinder, pflegende Angehörige und schadet damit allen. Durch den Neid auf die Flüchtlinge vergisst man das. Das ist wie bei Trickdieben: Es braucht immer einen, der mit ablenkt, damit dir der andere die Geldbörse aus der Tasche ziehen kann“.

Hier Link zu gesamtem Interview:

http://www.kirchenzeitung.at/newsdetail/rubrik/der-neid-funktioniert-wie-ein-trickdieb/

 

Martin Schenk ist Sozialexperte der Diakonie, in seinem neuen Buch „Genug gejammert! Warum wir gerade jetzt ein starkes soziales Netz brauchen“
gibt es dazu ein eigenes Kapitel „Gefühle. Von Lebensmitteln, die wir nicht essen können.“ www.genuggejammert.at

Flashmob-Message: Ein starker Sozialstaat ist möglich!

Veronika Pernsteiner, Stephan Schulmeister, Christian Haidinger, Elisabeth Mayer

Wien (OTS) – Die Initiative „Christlich geht anders“ setzt sich für einen dichteren Sozialstaat und eine gerechtere Verteilung in der Gesellschaft ein. Mit einem Flashmob am Wiener Stephansplatz erhob die ökumenische Initiative am 6.10.2017 Vormittag lautstark und präsent ihre Stimme. Redner und Rednerinnen aus unterschiedlichen Bereichen öffneten Perspektiven und präsentierten Antworten und Lösungsansätze.

Die Ordensgemeinschaften Österreich wurden durch Abtpräses Christian Haidinger vertreten, er machte ganz klar: „Wir können nicht mit ansehen und passiv daneben stehen, wenn auf die großen sozialen Fragen entsolidarisierende Antworten gegeben werden. Es braucht eine gerechte Besteuerung, damit das soziale Netz nicht kleiner, sondern für alle und mit allen tragfähiger wird.“ Angesichts der wachsenden Not an den „Rändern der Gesellschaft“, an die Papst Franziskus Christen und Christinnen ausdrücklich rufe, gelte es, „die Stimme zu erheben, denn individuelles Gewinnstreben dominiert gelebte Solidarität und der Sozialstaat wird als Feind stilisiert.“

Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister wies auf den großen Irrtum hin: „Flüchtlinge, Zuwanderer oder einfach nur „das System“ oder „die EU“ werden verantwortlich dafür gemacht, dass es vermeintlich nicht mehr für alle reicht und Leistungen des Sozialstaats gekürzt werden müssen.“ Tatsächlich habe eine neoliberale Wirtschaftspolitik Armut und Ausgrenzung vorangetrieben, sei die Schwächung des Sozialstaats zu einem sogenannten „Sachzwang“ gemacht worden.

„Ein starker Sozialstaat ist möglich“, postulierte die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Veronika Pernsteiner:
„Er ist das Ergebnis politischer Entscheidungen: für eine gerechte Umverteilung, für ein Bekenntnis zur Würde eines jeden Menschen und für seine existenzielle Absicherung unabhängig von Herkunft, Leistung und Geschlecht.“ Pernsteiner wies darauf hin, dass dort, wo der Sozialstaat in Frage gestellt, geschmälert oder gar abgebaut würde, zuvorderst die Schwächsten litten, Migranten, Flüchtlinge und Frauen, „weil Frauen ohnehin schon benachteiligt sind, als Alleinerzieherinnen, Niedrigverdienerinnen oder Zuständige für nicht entlohnte Sorgearbeit“.

„Sozialstaatliche Absicherungen sind dringender denn je“, so auch Flashmob-Teilnehmer und Sozialstaats-Experte Emmerich Tálos, Mitinitiator des Sozialstaatsvolksbegehrens aus dem Jahr 2002: „Die Politik ist gefordert, sozial gerechte Maßnahmen zu setzen, damit der soziale Grundwasserspiegel in unseren Gesellschaften wieder steigt.“

Elisabeth Mayer, Präsidentin der Katholischen Aktion Salzburg, warnte in ihrem Statement vor Angst und Misstrauen: „Das Schüren von Ängsten darf nicht durch Wählerstimmen belohnt werden. Christlich geht anders: Hoffnung statt Angst, Aufbauen statt Niedermachen, Integrieren statt Ausgrenzen“. In diesem Sinne verstünde sie auch den Auftrag der Katholischen Aktion: „KA – keine Angst!“.

Die Initiative „Christlich geht anders“ wird von zahlreichen Organisationen und Einzelpersonen getragen. Sie engagiert sich unter Berufung auf die christliche Soziallehre, das „Sozialwort der christlichen Kirchen in Österreich“ sowie Positionierungen von Papst Franziskus für ein solidarisches Miteinander in der Gesellschaft auf Basis eines starken Sozialstaates und einer gerechten Verteilung von Ressourcen und Teilhabechancen. „Reden wir über solidarische Antworten auf die soziale Frage“, lautete die Aufforderung der Initiative an die Öffentlichkeit beim Flashmob vor dem Wiener Stephansdom.

In Kürze finden Sie einen Videobeitrag des Flashmobs auf www.ordensgemeinschaften.at

www.christlichgehtanders.at

1 2 3 8