Mai 18, 2017

Markus Blümel: Solidarische Antworten zur gesellschaftlichen Polarisierung

Markus Blümel fordert die soziale Erneuerung der Herzen, des Denkens und der Politik

Katholische, evangelische und orthodoxe ChristInnen in Österreich haben unter dem Titel „Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“ gemeinsam Stellung bezogen, insbesondere zur gesellschaftlichen Polarisierung und zu den bedrückendsten Problemen unserer Zeit, wie wachsende soziale Ungleichheit, steigende Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung, wachsende Armut und die Not geflüchteter Menschen.

Der Hintergrund: Besonders die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte hat einen Prozess in Gang gesetzt, der steigenden Reichtum einer kleinen Oberschicht und zunehmende Armut wie auch Unsicherheit in einem wachsenden Teil der Bevölkerung erzeugt. Er ruft Hoffnungslosigkeit und Wut hervor, gerade auch bei immer mehr Menschen, die sich um ihre Chancen und die ihrer Kinder gebracht fühlen und – oft auch zu Recht – finden, dass sie „zu kurz kommen“. Politische Parteien und Bewegungen des rechten bzw. rechtsextremen Spektrums sind im Vormarsch, welche diese Gefühle gezielt ansprechen und verstärken sowie Angst und Wut auf „Sündenböcke“ lenken: auf „die“ Flüchtlinge oder „die“ Muslime. Auch innerhalb anderer Parteien werden jene Kräfte stärker, welche die Lösung in der Anpassung an rechtsautoritäre Einstellungen und Praktiken suchen. Auf dem Spiel steht nichts weniger als der menschenrechtliche Grundkonsens (gleichzeitig ein zentraler christlicher Wert): Alle Menschen haben die gleiche Würde.

Missbrauch des Christlichen

Indes haben die letzten Wahlkämpfe gezeigt, dass christliche Werte und Symbole immer wieder für Parteipolitik missbraucht werden: Aus der christlichen Nächstenliebe werden gegenteilige Botschaften. Der Begriff „Christliches Abendland“ transportiert eine ablehnende Haltung gegenüber Muslimen. Aktuell nährt etwa der österreichische Außenminister alte Ressentiments gegenüber „den“ Türken, so sprach er jüngst im Radio von türkischen BürgerInnen als „Kulturfremden“, und streicht gleichzeitig in der Öffentlichkeit sein Christsein hervor. Verteidigungsminister Doskozil wiederum spricht in einer Nachrichtensendung nicht mehr von Flüchtlingen, also von Menschen und ihrer Not, sondern durchgängig nur mehr von „Zahlen“.

Polemik gegen die Schwachen

Die Verrohung der Sprache, verstärkte Konzentration auf nationale Sicherheitspolitik, auf Abschottung gegenüber den Menschen aus den Ländern des Südens, die Kürzung sozialstaatlicher Leistungen für arme und schutzbedürftige Menschen gehen einher mit einem sich aufheizenden Klima der Konkurrenz, der (gruppenspezifischen) Menschenfeindlichkeit und einer an (angeblichen!) „Sachzwängen“ ausgerichteten Politik. Wer in dieser Welt „nichts leistet“, „nichts eingezahlt“ hat, wer „unproduktiv“ ist, wird systematisch herabgewürdigt. In Politik gegossen bedeutet das die Kürzung der Mindestsicherung, „Null-Euro“-Jobs etc. Mit existenziellen Folgen nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für andere betroffene Gruppen wie etwa Menschen mit Behinderungen – angeblich, weil das die Gerechtigkeit so fordert. In Wirklichkeit werden Menschen und ihre Existenzen geopfert.

Der Initiative „Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“ geht es darum, den „sozialen Grundwasserspiegel“ zu heben. Im Entstehen ist eine soziale Bewegung, die aus den christlichen Kirchen kommt, aber darüber hinausgehen soll, und deren Anliegen die soziale Erneuerung der Herzen, des Denkens und auch der Politik ist. Dies wird nicht friktionsfrei ablaufen. Ablenkungs- und Täuschungsmanöver von Seiten politischer Akteure werden die Auseinandersetzungen der nächsten Jahre bestimmen: zentrale humanitäre und christliche Werte werden im Wort geführt, faktisch laufend ausgehöhlt werden. Die „MacherInnen“ sitzen in den verschiedensten politischen Parteien, genauso wie es auch Verbündete quer durch die Parteien gibt. Auseinandersetzungen, wie jene um die Kürzung der Mindestsicherung, werden uns zunehmend beschäftigen.

Bündnis für mehr Gerechtigkeit

Gefragt ist eine wachsendes Bündnis engagierter BürgerInnen – gerade auch von ChristInnen – die auf solidarische Lösungen, einen aktiven Sozialstaat, gerechte Steuerpolitik und damit auf echte Lösungen für die soziale Frage von heute pochen, die Aufklärungsarbeit leisten und mit Entschiedenheit auf rote Linien im politischen Gespräch und in den politischen Entscheidungen aufmerksam machen.
Auch wenn nicht alle Lösungen schon zur Hand sind: es braucht den Dialog und den Willen, gemeinsam danach zu streben, dass ein gutes Leben für alle Realität wird. An den Voraussetzungen mangelt es nicht – allein in Österreich wird jährlich mehr gesellschaftlicher Reichtum erzeugt und vererbt als je zuvor.
Jetzt sind viele MutmacherInnen und WandlerInnen gefragt, die Teil dieser Initiative werden, beginnend an der Basis: u.a. in den (Pfarr-)Gemeinden, Dekanaten, in den zahlreichen (sozialen) Initiativen.

Markus Blümel, Politischer Erwachsenenbildner, Solidarökonom und Öffentlichkeitsarbeiter der ksoe; markus.bluemel@ksoe.at

Ferdinand Kaineder: Das geht anders

Vor ein paar Tagen hat mich der Film „Free Lunch Society“ mit dem Themenfeld Grundeinkommen ins Kino gezogen. „Arbeit ist unbezahlbar“ ist eine der wesentlichen Aussagen. Dass die USA vor Ronald Reagan kurz vor der Einführung des Grundeinkommens stand, war mir so nicht bewusst, obwohl mit das Thema seit 1978 immer wieder beschäftigt. Die soziale Lage in den USA war so dramatisch, dass dies der einzige Ausweg schien. Aber dann schlug der Neoliberalismus zu mit seinen „privatisierten sozialen Programmen, die für wenige ein wunderbares Geschäft wurden“. Wir kennen die weltweite Entwicklung seither. Der Staat wurde zum Konzern umgemodelt, der Sozialstaat als Last dargestellt. Tragende soziale Netze werden seit dem desavouiert. Sozialschmarotzer wurden erfunden. Der Zusammenhalt bestand in der Ausgrenzung der Armen, der Marginalisierten, der Prekären. Nur das, was selbst im „Sozialen“ Profit abwirft, wird weiterentwickelt. Selbst Sozialeinrichtungen sind als Firmen an der Börse zu finden. Am Markt. Der Staat wurde zum Wedel der Großkonzerne entwickelt, Lobbying und Think Tanks steuern die Politik. In Österreich wird die Mindestsicherung gekürzt und die reichen Eliten werden still und heimlich um ein vielfaches reicher. Täglich. Stündlich.

Christlich geht anders

Selbst christlich-soziale sowie sozial-demokratische Parteien schütteln ohne mit der Wimper zu zucken ihre so entscheidenden Adjektive ab: sozial – christlich – demokratisch. Erfolgreiche Siegerstraßen sind die einzigen Fortbewegungsflächen geworden. Leid, Not oder Fragmentarisches riecht nicht gut. Kommt daher nicht mehr vor. Da heißt es dagegen halten. Der Sozialstaat ist die Basis für die Zukunft. Erfolge und Leid dürfen nicht getrennt werden. Weder individuell und schon gar nicht als Gemeinwesen. Daher gibt es die Initiative „christlich geht anders„. Es sind diese Ansagen, die heute Kraft für Morgen bekommen sollen, ja müssen: (siehe Statement Christlich geht anders)

Ferdinand Kaineder, http://www.kaineder.at/wordpress/das-geht-anders/