Dezember 2017

Leo Lukas: Ich werde es ihnen nicht geben, unser Bestes.

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Ich gebe zu, dass ich mit meiner Einschätzung der neuen Regierung total falsch liegen könnte.

Schließlich habe ich mich schon oft geirrt. Aber hallo, keine Frage!

Vielleicht wurde ich ja in meiner Kindheit und Jugend indoktriniert, hauptsächlich von katholischen Geistlichen und mindestens ebenso engagierten „Laien“. Mir gefiel die „Frohe Botschaft“ des Christentums so sehr, dass ich mit 14 ein Lied schrieb, welches noch heute von Jungscharkindern landauf, landab gesungen wird: „Es ist schön, solche Freunde zu haben …“

Später studierte ich Theologie, bis kurz vor der Diplomprüfung. Mittlerweile glaube ich nicht mehr an einen historischen Jesus (die Quellen sind äußerst dürftig); oder nicht mehr, als an einen realen Perry Rhodan oder James T. Kirk; oder, dass jemals tatsächlich Frauen namens Dornröschen, Aschenputtel oder Schneewittchen gelebt haben. Aber die Geschichten, die über sie erzählt werden … Daran glaube ich. Denn es sind gute, tröstliche, aufbauende Geschichten.

An der Geschichte vom Jesuskind gefiel und gefällt mir, dass sie die Nöte der Allerärmsten thematisiert. Maria und Josef – der nicht der leibliche Vater ist – bekommen kein menschenwürdiges Quartier, sondern nur prekären Unterschlupf in einem stinkigen Viehstall, neben Ochs und Esel. Bald darauf müssen sie nach Ägypten aufbrechen, aus Angst vor Herodes, als völlig mittellose Flüchtlinge … usw.

Als Jesus (in dieser wunderbaren Story) erwachsen ist und zurück in Judäa, verkündigt er einige der tollsten Sätze der Literaturgeschichte. Er erklärt sich zum „Sohn Gottes“, und alle anderen Söhne und Töchter gleich mit. Er überwindet das alttestamentarische Prinzip der Vergeltung bzw. Entschädigung („Auge um Auge, Zahn um Zahn“), und bietet stattdessen den Gedanken der Nächstenliebe an. Jesus von Nazareth solidarisiert sich mit den Schwächsten: „Was ihr dem geringsten meiner Geschwister antut, das habt ihr mir angetan.“ (Mt 25,41)

So.

Die führenden Protagonisten der neuen österreichischen Regierung beziehen sich gern auf „unsere Werte“. Der eine oder andere fuchtelt dabei auch schon mal mit einem Holzkreuz herum. Allerdings befürchte ich, dass sie nicht verstanden haben, oder vielmehr nicht verstehen wollen, worin „unsere christlichen Werte“ im Kern bestehen.

Für mich: Liebe deine jeweils Nächsten, wie auch dich selbst. Egal, wer oder was oder wo du bist, und egal, wie oder als wer sie dir ins Blickfeld laufen. Sie sind deine Nächsten. Gestehe ihnen dieselbe Menschlichkeit, dieselbe Humanität, mindestens dasselbe positive Potenzial zu wie dir selbst.

Im aktuellen Regierungsprogramm finde ich nichts davon. Im Gegenteil: Es strotzt vor Misstrauen gegen die Ärmsten, vor mehr oder weniger verschwurbelt angekündigten Maßnahmen zur Abwehr jeglicher Fremden, jeglicher Vermeidung geistiger Inzucht. Der Jesus aus jener Geschichte, die ich so liebe, würde diese Geisteshaltung zutiefst ablehnen.

[Liest das hier eigentlich noch irgendjemand?]

Falls doch, möchte ich – als deklarierter Atheist – trotzdem alle, die wie ich von der frohen Botschaft des Christentums geprägt sind, dazu aufrufen, gegen den schändlichen Missbrauch „unserer Werte“ Position zu beziehen. Herr Kardinal, die Herren Bischöfe, die Herren Pfarrer und Kapläne, liebe Pfarrersköchinnen und Jungscharführer_innen – ihr seid gefragt und gefordert!

Was in unserem schönen Land gerade vorbereitet wird, ist erstens perfid, zweitens dumm und vor allem drittens: alles andere als „christlich“. Man fantasiert eine Bedrohung herbei (und manipuliert dafür auch mal, weil’s sonst nicht passen würde, wissenschaftliche Studien), bloß um an die Töpfe der Macht zu gelangen. Ohne Rücksicht auf die Kollateralschäden. Einer der lautesten Gröler skizziert bereits Flüchtlingsghettos am Stadtrand von Wien, sinngemäß: Konzentrationslager.

Herr Kardinal, die Herren Bischöfe, die Herren Pfarrer und Kapläne, liebe Pfarrersköchinnen und Jungscharführer_innen – wollt ihr das wirklich mittragen, und später vor euren Kindern verantworten müssen?

Wie gesagt, ich kann mich irren. Ich habe mich schon oft geirrt.

Ich gebe zu, dass ich mit meiner Einschätzung der neuen Regierung total falsch liegen könnte. Vielleicht sind die wesentlichen Personen viel schlauer, viel erfahrener und gebildeter als ich.

Vielleicht wollen sie ja nur unser Bestes. Aber bitte erlaubt mir zu proklamieren: Ich werde es ihnen nicht geben, unser Bestes. Nicht zum Missbrauch preisgeben. Unsere Geschichten, unsere Hoffnungen. „Unsere Werte“. Nicht ohne Widerstand. Mit allem, was ich, alt und auch schon ein bisschen müde, noch dagegen aufzubringen vermag.

Gleichwohl, liebe Leute, liebe Menschenkinder, ob gläubig oder nicht: Frohe Weihnachten! Und einen guten Rutsch ins neue Jahr – was auch immer es uns bringen wird.

Leo Lukas, Kabarettist, Schriftsteller und Regisseur
19.12.2017

P. Franz Helm: Umfassende Lebensmöglichkeiten eröffnen

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Weihnachten ereignet sich an den Rändern und betont die gleiche Würde aller Menschen

[Wien, 20. Dez 2017] Der Generalsekretär der Männerorden P. Franz Helm betont in seiner Weihnachtsbotschaft für die Ordensgemeinschaften das wache Sehen und wünscht: „ Wache Weihnachten, weil Weihnachten das Fest des wachen Sehens ist, es ereignet sich in einer Welt, die auch Ränder hat. Diese Ränder wollen wir sehen und die Menschen am Rand teilhaben lassen an unserer Weihnachtsfreude. Auch die Hirten und Magier waren Randgestalten, sie kamen aus der Ferne.“ Dazu betont Helm den gemeinschaftlichen Aspekt von Weihnachten: „Gemeinsam soll Weihnachten gefeiert werden, denn unser Gott ist einer, der in Beziehung geht und steht. Er ist mit seiner Familie da, die Hirten und viele andere kommen um das Fest der Gemeinschaft zu feiern. Wir wünschen Ihnen, dass Sie wirkliche Gemeinschaft erleben. So, wie alle Ordenschristinnen und Ordenschristen versuchen, gut in Gemeinschaft zu leben.“ Außerdem redet der Generalsekretär einfachen Weihnachten das Wort: „Und einfach sollen Ihre Weihnachten sein, denn auch Gott kommt ins Einfache. Vollkommen reduziert als Kind kommt er auf uns zu. Wir wünschen Ihnen von Herzen, dass es auch Ihnen gelingt, sich aufs Wesentliche zu reduzieren.“

In Richtung neues Regierungsprogramm

In Hinblick auf das neue Regierungsprogramm hält P. Helm in diesen Tagen fest: „Aufgrund ausgrenzender Tendenzen, die dem neuen Parteiprogramm zugrunde liegen, wie etwa gegen Asylsuchende oder gegenüber sozial Schwächeren, wird es eine hellwache Opposition brauchen, die alle kommenden Maßnahmen durchleuchtet. Weihnachten betont die gleiche Würde aller Menschen und Gott selber hat am Rand, bei den Hirten, draußen unter den einfachsten Menschen Platz genommen. Das ist die unmissverständliche Aufforderung an uns Christinnen und Christen, genau die Ränder in den Blick zu nehmen und in die Gesellschaft hereinzuholen oder ihnen am Rand umfassende Lebensmöglichkeiten zu eröffnen. Der Zusammenhalt einer Gesellschaft wird nur gelingen, wenn wirklich alle, gerade auch die Schwächsten, mitgenommen werden. Mögen auch einzelne Punkte des Regierungsprogrammes wie die Sicherung des Religionsunterrichtes von kirchlichen Personen positiv betrachtet werden, so ist die Grundtendenz der Ausgrenzung entlang des Sündenbockmechanismus und die Boulevardisierung in der Kommunikation kritisch zu sehen.“

Link zum Video mit dem Weihnachtswunsch von P. Franz Helm, Generalsekretär der Männerorden:

https://youtu.be/5AHuE9lGKX8

 

Stephan Schulmeister: Video zum aktuellen Regierungsprogramm

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Liebe Leut‘,
im Regierungsprogramm gibt es einige Punkte wie der Arbeitsdienst für Bezieher von Mindestsicherung (und damit auch der Langzeitarbeitslosen) oder die Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die bisher kaum beachtet wurden.

Friedel Hans hat daher wieder ein Aufklärungsvideo mit mir gemacht.

In einem Gedicht heisst es: „Dabei wissen wir doch, auch der Hass gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge, auch der Zorn über das Unrecht macht die Stimme heiser……“ Also konzentrieren wir uns auf das Nachdenken, Erklären, Zusammenschließen……

Besinnliche Weihnachten wünscht
Stephan Schulmeister

Traude Novy: Angst isst Seele auf oder eine Vision vom geglückten Leben

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Derzeit höre ich viel von den Ängsten der Menschen, die man doch ernst nehmen müsse. Diese Konzentration auf negative Gefühle und die intensive Beschäftigung damit auf allen Ebenen wo Auseinandersetzung geschieht, von der Politik, den Medien bis zum Gespräch im Freundeskreis lähmt unsere Antriebskraft und unsere Lust auf die eigenmächtige Gestaltung unserer Lebenswelt.

Rainer Werner Fassbinder hat in dem Film „Angst essen Seele auf“ aus dem Jahr 1974 die Probleme eines marokkanischen Gastarbeiters in Deutschland thematisiert – und dabei deutlich gemacht, wie die Angst ein gutes Zusammenleben zerstört.  Dieser Film ist aktueller denn je. Gerade im Advent wäre es aber den Versuch wert, den Blick auf das Gute, dem wir begegnen zu richten,  statt uns die Seele von der Angst auffressen zu lassen. Was könnten wir also zum Guten Leben für alle beitragen, damit die Hoffnung die Angst besiegt?

Wenn ich mir die öffentliche Diskussion anhöre, so lassen sich die Ängste, von denen Menschen beherrscht werden, vorwiegend  in folgende Bereiche einordnen:

– Da gibt es die Angst durch Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern die eigene Kultur, Tradition und die eigenen Werte zu verlieren.

– Viele Menschen haben Angst davor, keinen Arbeitsplatz zu bekommen, oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren

– damit verbunden ist die Angst vor sozialem Abstieg, dass es den eigenen Kindern einmal schlechter gehen wird

– es gibt auch die Angst, durch die Zugehörigkeit zur EU nationale Identität zu verlieren.

-es gibt aber auch die Angst jener, die durch die angstgetriebene Suche nach einem starken Mann und zunehmender kritikloser  Hinnahme autoritärer Regierungen, um den Fortbestand der Demokratien in Europa fürchten.

Entscheidend für eine hoffnungsvolle Zukunft wird es sein, diesen Ängsten Handlungsmöglichkeiten und eine Vision vom geglückten Leben entgegenzusetzen.

Zur Angst vor Zuwanderung wäre zu sagen: In einer Welt, wo der Austausch von Waren rund um den Globus alltäglich ist, wird es nur unter Anwendung von grausamer Gewalt möglich sein, Menschen daran zu hindern, vor Krieg, Hunger und Unterdrückung zu fliehen. Unsere mitteleuropäischen Länder werden bunter werden, egal was wir tun. Wie kann aber dieses Zusammenleben glücken?

Statt uns auf die unbestrittenen Probleme zu konzentrieren, kann es uns doch eigentlich glücklich machen, was wir seit dem September 2015 geschafft haben. Gestern hat sich der junge Afghane, der seit fast 2 Jahren bei uns wohnt, telefonisch mit einem syrischen Flüchtling in fast makellosem Deutsch unterhalten – da wachsen auch junge Mitbürger und Bürgerinnen heran, die gerne hier in Österreich leben und unsere Gastfreundschaft sehr schätzen und die ihren Beitrag zu unserem Gemeinwesen leisten werden – das macht mich glücklich!

Ich bin allerdings nicht so naiv zu glauben, dass diese Integration einfach und billig zu haben ist. Sprechen wir doch einmal statt von unseren Ängsten, von den tausenden Menschen, die Flüchtlinge in verschiedener Form begleiten und unterstützen – vom Lernen mit Kindern angefangen bis zum Sport und Freizeitgestaltung und der Begleitung im Alltag und bei Behördenwege.  Diese Begegnungen sind zumeist für beide Seiten bereichernd und tragen dazu bei unser Land für alle lebenswert zu machen. Wir können alle stolz auf das große solidarische Potential in unserer Gesellschaft sein.

Die Angst den Arbeitsplatz zu verlieren, ist eine sehr konkrete – auch dagegen hilft nur die Solidarisierung. Eine Ich-AG kann erfolgreich sein, aber sehr schnell auch abstürzen. Zusammenschlüsse von KleinunternehmerInnen, die helfen, das Risiko zu minimieren, stärken da Gemeinschaftsgefühl und ermöglichen politische Einflussnahme. Es ist auch nicht altmodisch, sich gewerkschaftlich zu organisieren, um Gegenmacht zu den Thinktanks der Industriellenvereinigung zu entwickeln.

Nur Kooperation statt einseitiger Konkurrenz bewahrt uns vor (Selbst-)Ausbeutung und lässt uns in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt neue Arbeitsformen, Arbeitszeitverkürzung  und auch einen neuen Blick auf die Wertschöpfung in der Gesellschaft andenken. Das, was jemand für die Gesellschaft leistet, muss danach beurteilt werden, welchen Beitrag zum Guten Leben für alle durch diese Leistung entsteht – Finanzieller Gewinn ist da eine sehr mangelhafte Messlatte. Viele solidarökonomische Betriebe haben sich auf den Weg gemacht, von Beteiligungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft bis zu neuen Genossenschaftsmodellen, wie sie z.B. die Fairtrade-Bekleidungsinitiative „Göttin des Glücks“ gerade versucht.

Der Angst vor dem materiellen Abstieg der nächsten Generation müssen wir alle entgegenwirken, indem wir daran arbeiten, unser Wirtschaftssystem wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das Auseinandertriften der Vermögen und Einkommen hat auch in unserem Land abstruse Ausmaße angenommen. Wenn 1 % der Bevölkerung 40% des Gesamtvermögens besitzt, dann zerstört das unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es ist erwiesen, dass immer mehr Reichtum nicht glücklicher macht – Armut allerdings macht unglücklich. Dagegen müssen wir etwas unternehmen.

Es ist dringend nötig, dass wir lernen, Wirtschaft anders zu denken und den Arbeitsbegriff zu erweitern. Die Arbeit im Sozialbereich ist meist schlecht – oft auch gar nicht bezahlt – aber sie ermöglicht jenen die diese Arbeit tun ein erfülltes Leben und jenen, an und mit denen diese Arbeit getan wird, geglückte Teilhabe an der Gesellschaft.  Das muss sich auch in der Entlohnung auswirken und es ist höchst an der Zeit, dass sowohl Männer wie auch Frauen sich gleichermaßen an dieser sozialen Arbeit beteiligen können.

Die Frage muss erlaubt sein  „welche Arbeit nützt der Gesellschaft?“, damit die Überschätzung der Leistung in der Finanzwirtschaft und im digitalen Bereich korrigiert werden kann und in diesen Bereichen mehr Kontrolle ermöglicht wird. Die Initiative „christlich geht anders“, der sich bereits viele Menschen angeschlossen haben, hat es sich zur Aufgabe gestellt, Solidarität und die Option für die Armen als die Kernbotschaften unseres Glaubens wieder zu stärken. Unterstützen wir diese Initiative und mischen wir uns in die politische Diskussion ein, weil es um unser aller gutes Leben und um die Zukunft unserer Kinder geht.

Wenn wir uns fragen, was uns wirklich glücklich macht, so rangiert wahrscheinlich der Wunsch nach mehr Geld nur bei den wirklich Benachteiligten ganz weit vorne, alle anderen verbinden mit Glück ganz andere Vorstellungen – eine glückliche Familie, Zugang zu Kunst und Kultur, eine gesunde Umwelt, ein Wohnbereich, der Möglichkeiten für Begegnungen, Freizeitgestaltung und zum Feste feiern bietet, ohne dass dafür unbedingt etwas bezahlt werden muss, sichere öffentliche Räume. Ein ängstlich gehütetes großes Bankkonto ist hingegen oft hinderlich für den Lebensgenuss – weil es den Blick von den wirklichen Freuden ablenkt und die Angst es zu verlieren, die Lebensfreude einschränkt.

Gerade im Advent ist es an der Zeit, uns nicht von unseren Ängsten niederdrücken zu lassen, sondern die größere Hoffnung in uns zu nähren.  „Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet ihn herab“, diese Zeilen eines  alten Liedes und so vieles was wir in diesen Wochen an prophetischen Worten und Mutmachliedern nicht nur in den Kirchen hören,  geben Hoffnung wider jede Hoffnung, sind Kraftquelle und Stärkung damit wir unsere Ängste loslassen können und sie nicht Schaden an unserer Seele anrichten. Dann kann Weihnachten kommen und uns die große Freude für alle verkünden.

Traude Novy, Bloggerin

edeltraud.novy@aon.at