Januar 25, 2018

Traude Novy: Durchschummeln

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Indem wir in den Medien ein wenig die Gerichtsverhandlungen im BUWOG-Prozess verfolgen,  offenbart sich uns ein  erschreckendes Sittenbild von einst mächtigen Akteuren in Politik und Wirtschaft. Natürlich gilt in jedem Fall die Unschuldsvermutung, aber was sich da allein an undurchsichtigen Verschiebungen von Geldern rund um den Erdball zeigt, ist es wert, einen kritischen Blick auf jene „Leistungsträger“ zu werfen, die ständig nach mehr privat und weniger Staat rufen. 

Erinnert sich noch jemand daran, dass die ehrwürdige Industriellenvereinigung dem damaligen Finanzminister Grasser unversteuert eine private homepage finanzierte? Hat noch jemand die Bilder vor Augen, als jener Finanzminister auf „Roadshows“ gegen Honorar die Aktienmärkte und die Privatisierung von Staatseigentum bewarb?  Durch manche dieser undurchsichtigen Transaktionen wurden einige Personen sehr  reich, der Staat aber um sein Vermögen gebracht.

Erinnert sich noch jemand daran, dass in den Boom Jahren an den Börsen den Gemeinden sogar vom Rechnungshof nahegelegt wurde, ihr Geld doch nicht auf Sparbüchern zu parken, sondern es am Kapitalmarkt „arbeiten“ zu lassen? Das ging in den Krisenjahren allerdings kräftig schief.

Man könnte also erwarten, dass sich politisch Verantwortliche damit befassen, wie sie dieses Durchschummeln einflussreicher Menschen in Zukunft verhindern können – aber das Gegenteil ist der Fall.

Wir sind jetzt wieder so weit, dass über die Vermögenden und gut Verdienenden der Schutzmantel ausgebreitet wird. Eigentum jener, die viel davon haben,  wird heiliggesprochen. Von der sogenannten christlich- sozialen Partei ist kein Wort über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums als Grundlage der christlichen Soziallehre zu hören. Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer sind vom Tisch, die Reduktion der Unternehmenssteuern ist  im Gespräch. Familien bekommen Steuerermäßigung pro Kind – allerdings nur dann im ganzen Ausmaß, wenn entsprechende Einkommen lukriert werden – Niedrigverdienende schauen durch die Finger.

Und dann wird der Begriff des „Durchschummelns“ völlig zweckentfremdet auf jene angewandt, die keine Spielräume für Vermögenstransfers in Steueroasen haben, die keine Gestaltungsmöglichkeit bei ihrer Steuerpflicht nutzen können und die auch keine Steuerberater beschäftigen können, die ihnen bei der legalen Steuervermeidung helfen.

Durchschummeln tun sich laut Definition unseres Bundeskanzlers jene Notstandshilfebezieher, die noch Eigentum besitzen und dennoch Unterstützung aus der Arbeitslosenversicherung bekommen. Sie sollen deshalb von der Arbeitslosenversicherung nahtlos in die Mindestsicherung fallen. Die Eigentumswohnung, die Ersparnisse eines langen Arbeitslebens, sollen bei den meist älteren und oft gesundheitlich beeinträchtigten Langzeitarbeitslosen zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts herangezogen werden, bevor sie die Mindestsicherung, die noch dazu reduziert werden soll, beziehen können.

Sofort melden sich Menschen zu Wort, die viele Leute kennen, die eigentlich arbeiten könnten, die Immobilien besitzen und alles in allem also „Sozialschmarotzer“  und „Durchschummler“ sind. Da kann das AMS noch so oft erklären, dass es sich dabei um eine verschwindende Minderheit handelt, das Märchen von den vielen, die Sozialbetrug begehen, ist nicht zu entkräften. Ich leugne ja gar nicht, dass es Menschen gibt, die das Sozialsystem überstrapazieren – warum sollen die ärmeren Menschen eigentlich die besseren Menschen sein? Aber im Vergleich zu den Durchschummlern auf der obersten Vermögens- und Einkommensstufe sind das wirklich Lappalien.

Verwunderlich ist für mich nur, wie leicht es Politikern gelingt, Aggressionen und Neidgefühle gegen Menschen am unteren Rand der Gesellschaft  zu wecken und mit welcher Nonchalance steuerliche Tricksereien, Stiftungskonstruktionen, Kapitalflucht und gemessen am volkswirtschaftlichen Nutzen völlig unangemessene Gehälter und Gratifikationen hingenommen werden.

Die deutsche Journalistin Kathrin Hartmann spricht in diesem Zusammenhang von der „Verrohung des Bürgertums“. Abstiegsängste lassen viele Menschen nach einem Sündenbock suchen. Da sie sich aber als Zugehörige des Bürgertums fühlen, solidarisieren sie sich noch immer wesentlich leichter mit den „Reichen und Schönen“ als mit jenen, die noch gefährdeter sind als sie. Mitleidlos wird auf  Langzeitarbeitslose, Migranten und Flüchtlinge herabgeschaut und ihnen die Destabilisierung des Sozialsystems angelastet. Die Profiteure dieses Systems sind dadurch aus dem Schneider und es schaut auch so aus, als hätten nur die allerwenigsten Medien Interesse daran, sich seriös mit der Ungleichheit in unseren Gesellschaften auseinanderzusetzen.

Ich plädiere deshalb dafür, dass zumindest wir Christinnen und Christen dieses Spiel der Verrohung breiter Schichten nicht länger mitspielen und uns unserer Wurzeln besinnen – unser Platz muss auf der Seite der Benachteiligten sein, wenn wir uns und unseren Glauben ernst nehmen.

Traude Novy, Bloggerin

25.1.2018

Lisa Sterzinger: Christlich geht anders, weil …

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… es für eine Regierung erste Priorität sein sollte, Menschenrechtsverträge umzusetzen, die Vorrang gegenüber Freihandels- und Finanzverträgen haben sollten!

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ heißt es schon in der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Menschenrechte wurde die Allgemeine Erklärung, die heuer ihren 70. Geburtstag feiert, konkretisiert. Im Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wurde das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard für jederman/jedefrau verbrieft. Österreich hat diesen 1978 – also vor 40 Jahren – ratifiziert.

1993, vor 25 Jahren fand in Wien die UN Weltmenschenrechtskonferenz statt. In der Wiener Erklärung einigte sich die Staatengemeinschaft darauf, dass die Menschenrechte unteilbar und universell gültig sind. Das bedeutet, dass alle Menschenrechte gleich wichtig sind, weil sie sich in ihrer Umsetzung gegenseitig bedingen. Menschenrechtsverletzungen können nicht mit kulturellen Traditionen gerechtfertigt werden. Konkret verständlich wird die Unteilbarkeit, wenn man bedenkt, dass jemand der im dauernden Existenzkampf steht, sich kaum politisch beteiligen kann. Auch Bei Zwangsehe und weiblicher Genitalbeschneidung handelt es sich um Menschenrechtsverletzungen, auch wenn diese – mit dem Argument der Tradition – in manchen Kulturen noch immer verbreitet sind.

Gedenkjahr 2018

Auch diese Anlässe sollen im heurigen Gedenkjahr bedacht werden: Menschenrechtsverträge als Einigungen der Staatengemeinschaft im Sinne von humanitären Werten, die in die Sprache von Recht und Politik übersetzt wurden. Die Wiederholung der Gräuel des Weltkriegs sollte verhindert werden! Unter Einbeziehung von Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen aus allen Kulturen wurden sie für die aktuellen Problemstellungen kontinuierlich weiterentwickelt.

Die Weltkonferenz 1993 erzeugte die Hoffnung, dass die Systemkonkurrenz überwunden werden und die großen globalen Herausforderungen von Armut, Klimawandel, Migration, und Diskriminierung gemeinsam bewältigt werden könnten.

Soziale Gerechtigkeit und Frauenrechte entstehen durch politische Programme und Gesetze, in denen Menschenrechte umgesetzt werden. Genau diesen Menschenrechtsansatz fordern wir in der Politik! Es braucht einen Paradigmenwechsel, der das Wohl der Menschen und die Bewahrung natürlicher Grundlagen in den Vordergrund stellt, damit auch die Menschenrechte kommender Generationen erfüllt werden können. Im Gegensatz dazu steht das herrschende neoliberale Paradigma bei dem es darum geht, Wirtschaftswachstum durch freien Handel zu erzielen. Wirtschaften in seiner ursprünglichen Bedeutung von „haushalten“ bedeutet aber: Umgehen, mit dem was vorhanden ist, damit es für alle reicht.

Buen vivir – Gutes Leben für alle

Das südamerikanische Konzept des „Buen vivir“ beruht auf der Philosophie der indigenen Völker Südamerikas, welche die Instrumentalisierung der Natur als Ressource für die Wirtschaft verurteilt und ihr einen intrinsischen Wert zuspricht. „Buen vivir“ verfolgt ein Gleichgewicht mit der Natur, die Reduktion von sozialer Ungleichheit und eine solidarische Wirtschaft mit Rücksicht auf lokale Gemeinschaften. Durch zivilgesellschaftliche Organisationen haben auch benachteiligte Gruppen eine Stimme in den westlichen Demokratien um ihre Menschenrechte und ihre Lebensräume zu verteidigen.

Haushalten, das ist auch das Thema von Schöpfungsverantwortung, die Erde als Lebensraum für alle Menschen und für zukünftige Generationen zu bewahren – das ist auch ein christlicher Wert.

Maga. Lisa Sterzinger
Vorstandsmitglied von FIAN Österreich

www.fian.at
FIAN oder FIAN International, das FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk, setzt sich als internationale Menschenrechtsorganisation dafür ein, dass alle Menschen frei von Hunger leben und sich selbst ernähren können.