April 2018

Traude Novy: Leistung muss sich lohnen

In einem bin ich ganz der Meinung der neuen österreichischen Bundesregierung – Leistung muss sich lohnen. Worin allerdings diese Leistung besteht und wer sie erbringt, da geht unsere Sicht, so fürchte ich, allerdings wieder auseinander.

Als Leistung sehe ich alles das, was zu einem guten Leben für alle Menschen beiträgt. Jene laut Christian Konrad 500.000 Menschen, die sich in unserem Land ehrenamtlich bei der Integration von Flüchtlingen und MigrantInnen engagieren, leisten meiner Meinung nach einen unbezahlbaren Beitrag zu einem friedlichen Miteinander in unserer Gesellschaft. Sie fangen Defizite des Staates im Bereich Integration und Bildung auf, sind sinnstiftend für viele entwurzelte und traumatisierte Menschen und stellen der Gesellschaft unbezahlt qualitätsvolles „Humankapital“ (wie das im neoliberalen Neusprech heißt) zur Verfügung. Belohnt wird diese Leistung allerdings oft mit der Verhöhnung als „Gutmenschen“, durch keinerlei Unterstützung durch öffentliche Stellen und der systematischen Abwertung dieser Tätigkeiten.

Altersbedingt kenne ich viele Frauen, die – selbst gebrechlich geworden, ihre an Demenz und sonstigen Krankheiten leidenden Männer mit großer Selbstverständlichkeit betreuen und pflegen – diese unbezahlten 24 Stunden-Kräfte arbeiten für die Öffentlichkeit unsichtbar und sorgen mit ihrer Tätigkeit dafür, dass unser Sozialstaat noch halbwegs funktioniert. Ähnlich ist es in Familien in denen Mitglieder mit Behinderungen leben. Die Belastung ist oft unvorstellbar. Nur einmal im Jahr werden sie durch die weihnachtliche Spendenaktion ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Auch hier sind es vor allem Frauen, die dieses fragile System stützen.

Es ließe sich noch vieles anführen, wo der Begriff der Leistung und die finanzielle Entlohnung dafür, und nur das versteht ja unsere Bundesregierung als Entgelt, auseinander klaffen – von der Arbeit im Sozialbereich, in der Primärbildung und in allem, was mit Fürsorge und Versorgung zusammenhängt.

Aber abgesehen vom sozialen Sektor gibt es auch in der For Profit-Wirtschaft deutliche Diskrepanzen. Weshalb verdienen (selbst)ausgebeutete Ein-Personen-Unternehmungen so viel weniger als jene Menschen, die nichts anderes tun, als in sekundenbruchteilen Aktien zu kaufen und zu verkaufen und damit eigentlich nur einen Beitrag zur Instabilität unseres Wirtschaftssystems leisten? In den Augen unserer Bundesregierung zählen auch jene Personen zu den Leistungsträgern.

Es ist z.B. für mich nicht einsichtig, dass mit der Wohnungsnot in unserer Stadt lukrative Geschäfte gemacht werden und dass eine Unzahl von gut bezahlten Beschäftigten in großen Betrieben ihr beträchtliches Hirnschmalz nur dazu verwenden, die Steuerleistung großer Unternehmen durch Agieren am Rande der Legalität  so zu minimieren, dass sie damit den Sozialstaat gefährden. Die Leistung für die Allgemeinheit all jener Betriebe ist ebenfalls zu hinterfragen, die ihre Gewinne zulasten der Umwelt, des Klimas und der Ausbeutung von Menschen in anderen Erdteilen machen.

VertreterInnen der For Profit Wirtschaft werden mir da jetzt entgegenhalten, dass es eben überall und auch am Arbeitsmarkt um Angebot und Nachfrage geht. Ganz abgesehen davon, dass auch das nicht stimmt, weil auf Grund des geringen Angebots und des großen Bedarfs im Pflegebereich, die Entlohnung dennoch nicht wesentlich verbessert wurde, so ist doch festzuhalten, dass der Markt eben nicht alles regelt. Es ist eine politische Aufgabe zu definieren, welche Leistungen gebraucht und erwünscht sind, um das gute Leben aller zu ermöglichen, was diese Leistungen einer Gesellschaft wert sind und wer dafür auch zu bezahlen hat.

Verwunderlich ist für mich aber in diesem Zusammenhang schon auch die ablehnende Einstellung der „Leistung muss sich lohnen“ Regierung  zu Erbschafts- und Vermögenssteuer. Diese Steuern zielen eben gerade darauf ab, leistungsfreies Einkommen zu besteuern – denn mir kann niemand erklären, dass es eine Leistung wäre, aus der „richtigen“ Gebärmutter geschlüpft zu sein.

Kann es sein, dass viele in unserem Land einem falschen Leistungsbegriff anhängen? Wäre es nicht sinnvoll all das als Leistung wahrzunehmen, was ein gutes Miteinander in der Gesellschaft fördert und in Gewinnmaximierung zulasten anderer Bevölkerungsteile das zu sehen, was es ist, nämlich Sozialschmarotzertum und Durchschummelei? Wenn also unsere Regierung als Ziel das gute Leben aller hat und sich nicht nur an den Bedürfnissen jener orientiert, die in unserer unsicheren Zeit doch ziemlich abgesichert leben, dann müsste sie zuallererst einmal ihren Leistungsbegriff einer humanen zukunftsorientierten Gesellschaft anpassen.

Traude Novy, Bloggerin