Mai 2018

Martin Jäggle: Der Sorge um Arme und Fremde Vorrang geben

Zu Mt 28,16-20:

Ein starkes, ja ein fulminantes Stück sind die soeben gehörten fünf letzten Verse des Evangeliums nach Matthäus. Diese Qualität des Abschlusses ist charakteristisch für alle Meisterwerke. Der Abschluss wird zum Ausblick. Der Blick der Hörenden und Lesenden wird auf das Leben und die Zukunft gerichtet. Der Auftrag „macht alle Völker zu meinen Jüngern“ (V. 19) ist verbunden mit der Zusage „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (V.20).

Mittendrin steht die Formel, mit der auch heute jede Taufe erfolgt: „Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (V.19). Sie begründet den heutigen Sonntag, der als Dreifaltigkeitssonntag von den Kirchen des Westens gefeiert wird. In der Gemeinde, für die der Evangelist sein Werk schrieb, dürfte diese Formel schon eine längere Tradition gehabt haben. In ihr ist die Gewissheit verdichtet: Die Wirklichkeit und Nähe des einen Gottes kann in dieser Welt und Geschichte in dreifacher Weise erfahren werden. Eine Annäherung an diese spirituelle Erfahrung könnte bieten: Als Grund von Geborgenheit und Sehnsucht Gott erfahren, der wie Vater und Mutter ist. In der Praxis der Liebe dem Sohn begegnen, ermutigt und begleitet vom Geist Gottes. Bei der Taufe Jesu hat Matthäus vor Augen geführt: Der Himmel öffnet sich, Jesus sieht den Geist Gottes auf sich herabkommen und eine Stimme aus dem Himmel sprach: „Dieser ist mein geliebter Sohn.“ (3,17)

Ein Satz irritiert: „Einige aber hatten Zweifel.“ Der Zweifel ist ein wichtiger Teil der Wirklichkeit der Gemeinde des Matthäus und wohl jeder christlichen Gemeinde. Der Zweifel wird hier nicht ausgeblendet oder gar verdrängt, sondern ausdrücklich festgehalten. Noch bemerkenswerter: Die Zweifelnden werden nicht disqualifiziert oder gar sanktioniert. Ist der Zweifel gar der legitime Bruder des Glaubens? Als junger Mensch hörte ich einen Satz, den ich bis heute bewahrt habe: „Euer Glaube muss fragwürdig sein, würdig eurer Frage.“

Auf ein mögliches Missverständnis möchte ich aufmerksam machen. Traditionell wird das griechische Wort μαθητής mit Jünger übersetzt. Aber das Wort Jünger ist alltagssprachlich eher negativ besetzt und wird mit Eiferer, Jasager, Nachläufer oder Verehrer in Verbindung gebracht. Das alles geht am eigentlichen Wortsinn vorbei. Bibelfachleute bevorzugen als Übersetzung das Wort Schüler, Schülerin. Dadurch wird der Aspekt des Lernens deutlicher. Jünger sind zu allererst Lernende, sie gehen in die Schule Jesu. Somit wären eine christliche Gemeinde und erst recht die Kirche als Lerngemeinschaft zu verstehen, weil sie eine Schule Jesu sind. In ihr bleiben alle Lernende, auch nach der Taufe. Aber was ist Gegenstand dieses Lernens – und Lehrens? Matthäus betont: „alles, was ich euch geboten habe“ (V. 20). Für das Matthäusevangelium ist Christsein eine Frage der Praxis. So heißt es im Kapitel 6: „Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben werden.“ (Mt 6,33) Wenn sich daher die Kirchen in politischen Konflikten für Gerechtigkeit einsetzen, entsprechen sie nur dieser Forderung. Im Kapitel 7 erfolgt sogar eine Zuspitzung: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr! wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.“ (Mt 7,21) Wie entscheidend letztlich die Praxis ist, wird im sogenannten Gleichnis vom Weltgericht auf den Punkt gebracht: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Und „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan.“ (Mt 25,45). Heute ermutigt die Initiative „Christlich geht anders“, wozu das Matthäus-Evangelium auffordert: Der Sorge um Arme und Fremde Vorrang zu geben.

Univ. Prof. ret. Dr. Martin Jäggle

Zum Nachhören bis 3. Juni 2018 auf: https://oe1.orf.at/player/20180527/514225

 

Sozialpolitik muss Menschen vom Rand in die Mitte holen

Sr. Beatrix Mayrhofer, Stephanie Schebesch-Ruf, Judith Pühringer, Franz Küberl

Diskussion in der Langen Nacht der Kirchen 2018 zur österreichischen Sozialpolitik:

Die Diskussion in voller Länge (55:21min) aufgezeichnet von Friedel Hans:

https://www.youtube.com/watch?v=jYrxBXxTcL8&feature=youtu.be

 

 

 

Reflexionen zur Sozialpolitik

„Es braucht eine klare Entscheidung in der Politik heute: Wollen wir eine Ansammlung von ‚Ich-AGs‘ oder eine ‚Wir-AG‘ bilden?“: Das hat der frühere österreichische Caritas-Präsident Franz Küberl am 25.5.2018 in Wien bei einer Diskussion zu den Anliegen der Initiative „Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“ im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ betont. „Wenn jeder Mensch gleich viel Wert ist, schaue ich, dass ich die Menschen am Rand ein wenig mehr in die Mitte hereinhole. Das ist der Maßstab der Gerechtigkeit“, sagte Küberl im Gespräch mit Frauenorden-Präsidentin Beatrix Mayrhofer und der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik-Expertin Judith Pühringer mit Blick auf die heimische Sozialpolitik.

Jede Regierung habe sich um Gerechtigkeit zu kümmern, so der Ex-Caritas-Chef bei der Veranstaltung im Begegnungszentrum „Quo Vadis“ am Stephansplatz. Ohne diesen Anspruch wäre der Staat nur eine „Räuberbande“, zitierte er den heiligen Augustinus. Eine Aufforderung Küberls ging auch an die Kirche. Wolle sie in den ihr wichtigen politischen Fragen eine Rolle spielen, müsse sich die Kirche besser aufstellen. „Es reicht nicht aus, wenn Bischöfe eine SMS an die Politiker schicken. Das ist noch nicht Politik.“ Die Kirche solle sich diesen Themen in einem neuen Sozialhirtenbrief widmen, forderte Küberl.

„Das Thema Arbeit muss neu verhandelt, neu definiert und neu bewertet werden“, verortete Judith Pühringer die soziale Frage am Arbeitsmarkt. Für die Geschäftsführerin von „arbeit plus“, einem Netzwerk sozialer Unternehmen, die auch in der Armutskonferenz engagiert ist, ist der Wandel der Arbeitswelt in den vergangenen Jahrzehnten zentral. Das alte Versprechen, wonach Leistung zu sozialer Sicherheit führe, sei heute „ins Wanken geraten“. schilderte Pühringer. Sie ortet auch eine Abwertung von arbeitslosen Menschen. „Es ist alles sehr brüchig geworden und Menschen werden gegeneinander ausgespielt.“ Besonders schwierig sei die Lage für ältere Arbeitssuchende, die oft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen würden und keine gesellschaftliche Teilhabe mehr hätten.

Die neue Bundesvorsitzende der Katholischen Jungschar, Stephanie Schebesch-Ruf, hob vor allem die Perspektive von Kindern in der sozialen Frage hervor. „Spuren der Kinderarmut sind ein ganzes Leben lang spürbar“, betonte die Vertreterin von Österreichs größter Kinderorganisation. Kinder bräuchten ein soziales Netz. Umso schwerer wiege, dass auch laut Statistik Austria auch in Österreich rund jedes fünfte Kind armuts- bzw. ausgrenzungsgefährdet sei, sagte die Jungschar-Vorsitzende.

Sr. Beatrix Mayrhofer wiederum blickt aus der Perspektive einer Ordensfrau auf die Armut. Ordensfrauen hätten auch in der Geschichte „immer wieder geschaut, wo die Not ist und was es für eine Antwort braucht“, erinnerte die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs. In diesem Sinn sei es nach wie vor wichtig, „die Stimme für die zu erheben, die am Rande sind“.

Mayrhofer plädierte dafür, „genau hinzuschauen, wer arm macht und wer und was die Räuber zu Räubern macht“. Den Dienst speziell von Ordensfrauen sieht sie darin, „in einem einfachen, gemeinsamen und wachen Lebensmodell ein Gegenmodell zum jetzt gängigen neoliberalen Wirtschaftsmodell einzubringen“.

Quelle: https://www.kathpress.at/goto/meldung/1637709/kueberl-sozialpolitik-muss-menschen-vom-rand-in-die-mitte-holen

 

Simon Ebner: Christlich geht anders, weil …

…christlicher Glaube Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt.

Politik, die auf einem christlichen Fundament begründet ist, hat eine positive Botschaft.

Sie stellt das Wohl des Menschen als Abbild Gottes und die Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt.
Sie ist nicht naiv oder weltfremd.

Sie nennt Probleme beim Namen, auch wenn es sich dabei um unangenehme Wahrheiten handelt.
Sie hetzt nicht, sie spaltet nicht, sie würdigt andere Menschen nicht herab.
Sie ist anstrengend.

Mag. Simon Ebner
Generalsekretär
Katholische Aktion Salzburg