Juli 2018

Kirchenasyl in der Erzdiözese Salzburg

Salzburg, 04.07.2018 (KAP) Die Erzdiözese Salzburg hat einem von der Abschiebung bedrohten 23-jährigen Asylwerber aus Pakistan Kirchenasyl gewährt. Ali Wajid kam vor drei Jahren nach Österreich und arbeitet seit Oktober 2017 im Lokal der ARGEkultur als Kellner-Lehrling. Im Mai erhielt er einen negativen Asylbescheid in zweiter Instanz, am 1. Juli einen neuen Bescheid mit der Aufforderung, sich innerhalb von 72 Stunden in der Flüchtlingsunterkunft Schwechat einzufinden – bei Flüchtlingshelfern bekannt als letzte Station vor der Abschiebung. Ob die Behörden und die Polizei die Maßnahme tolerieren ist ungewiss, da es in Österreich keine rechtliche Grundlage für Kirchenasyl gibt.

Die Kirche reagiere auf vorhandene Not, wenn Menschen in Bedrängnis sind, erklärte Erzbischof Franz Lackner seine Entscheidung. „Die Kirche nimmt sich den Heimatlosen und Armen an. Aus der Botschaft Jesu heraus sind wir zutiefst dazu verpflichtete, zu helfen“, stellte auch Dechant Alois Dürlinger, Sprecher des Erzbischofs in Asyl- und Flüchtlingsfragen, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz klar. Mit dem Kirchenasyl soll für den jungen Pakistani nun Zeit gewonnen werden, um die rechtliche Situation zu klären.

Anfang Juni wurde Wajid von einer Polizeistreife festgenommen. Er sollte in Schubhaft auf seine Abschiebung nach Pakistan warten. Nach einigen Stunden in Polizeigewahrsam gelang es, eine „Freilassung gegen gelinde Mittel“ zu erzielen: Der Lehrling musste sich seitdem alle 48 Stunden bei der Polizei melden, um nachzuweisen, dass er nicht untergetaucht ist. Zugleich legte sein Anwalt außerordentliche Revision gegen den Bescheid ein und stellte einen Antrag auf aufschiebende Wirkung. Denn in Salzburg strebt die Landesregierung derzeit eine Lösung für junge Flüchtlinge in Ausbildung an. Landeshauptmann Wilfried Haslauer hatte zuletzt etwa angeregt, die Rot-Weiß-Rot-Karte auf Asylwerber asuzudehnen, die sich in einer Ausbildung befinden.

Doch am vergangenen Sonntag wurde Wajid erneut ein Bescheid des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl (BFA) zugestellt – ohne Rücksicht auf den laufenden Einspruch. Er habe sich binnen 72 Stunden in einer Flüchtlingsunterkunft in Schwechat einzufinden. Kurz vor Ablauf der 72-Stunden-Frist am Mittwochvormittag könnte nun mit dem Kirchenasyl eine Lösung für ihn gefunden worden sein.

Ali Wajid wurde in der Erzabtei St. Peter aufgenommen. „Zum ersten Mal seit langem konnte sich Ali im Kloster wieder etwas entspannen“, erzählte ARGEkultur-Vorstandsvorsitzender Bernhard Jenny. Der Menschenrechtsaktivist hatte bei dem Pressegespräch kritisiert, dass gerade die besonders vorbildliche Integration des jungen Flüchtlings der Hauptgrund dafür gewesen sei, dass er so schnell ins Fadenkreuz der Regierung gekommen sei.

Ungenügender Schutz

Wenn wir Kirchenasyl in Erwägung ziehen, antwortet die Kirche auf eine vorhandene Not“, zitierte Dürlinger Erzbischof Lackner. Dieser Schritt sei keinesfalls als Protestmanöver zu verstehen. „Wenn der Schutz als ungenügend erachtet wird, trachtet die Kirche danach, das Gesetz zu überbieten.“ Kirchenasyl habe zwar keine rechtliche Grundlage, Dürlinger appellierte aber an Gesetzgeber und Exekutive, die Maßnahme zu respektieren. „Das nimmt Ali Wajid momentan den schlimmsten Stress.“

Kirchenasyl wurde in Österreich mit dem modernen Rechtsstaat im 18./19. Jahrhundert abgeschafft und kam auch in jüngster Vergangenheit nur selten zur Anwendung. Im Mai 2011 bekannte sich die evangelische Diözese Salzburg/Tirol zu der Tradition.

Anders in Deutschland, wo sich im Februar 2015 die ökumenische „Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche“ und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darauf einigten, die Tradition nicht in Frage zu stellen. In Deutschland wird Kirchenasyl als zeitlich befristete Aufnahme in den Räumen einer Kirchengemeinde für Menschen, denen bei Abschiebung Folter, Tod oder inhumane Härte droht, gewährt. Das Oberlandesgericht (OLG) in München hat jüngst entschieden, dass Kirchenasyl abgelehnte Flüchtlinge in Deutschland nicht vor einer Abschiebung schützt. Dennoch befinden sich nach Schätzungen deutschlandweit rund 700 Menschen in Kirchenasyl.

Quelle: https://www.kathpress.at/goto/meldung/1652573/erzdioezese-salzburg-gewaehrt-asylwerber-kirchenasyl

Stephanie Schebesch-Ruf: Christlich geht anders, weil …

… Kinderarmut einschränkt, ausgrenzt und uns alle angeht.

Jedes fünfte Kind bzw. jeder fünfte Jugendliche in Österreich ist armuts- bzw. ausgrenzungsgefährdet.

Was wir im Moment erleben, ist ein Land, das umgebaut wird auf Kosten von Frauen, MigrantInnen und derer, die keine dicke Brieftasche haben. Das deckt sich weder mit der christlichen Haltung der Katholischen Jungschar, sich für die Anliegen der Menschen am Rand der Gesellschaft einzusetzen, noch mit unserer gesellschaftspolitischen Arbeit zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention.

Das soziale Klima in Österreich wird rauer und trifft die Ärmsten unserer Gesellschaft. Kinder sind in diesem Kontext unmittelbar mit ihren Eltern mitbetroffen. Diese Unterversorgung hat langfristige Folgen, denn Kinderarmut beeinträchtigt die weiteren Lebenschancen von Kindern. Besonders gefährdet sind Heranwachsende in Ein-Eltern-Haushalten, Mehr-Kind-Familien, Familien mit Migrationshintergrund und geringen Bildungsabschlüssen; ebenso in Familien ohne bzw. mit geringem Erwerbseinkommen (working poor) sowie in Familien mit besonderen Belastungen wie etwa Krankheit oder Pflege eines Familienmitglieds.

Sachorientierte Politik braucht empirische Grundlagen. Bei den Kosten, die Familien für ihre Kinder aufwenden müssen, fehlen diese. Zwar gibt es die Regelbedarfssätze, die für Kinder je nach Altersstufe einen bestimmten Bedarf festlegen. Diese Werte gehen aber auf eine Erhebung im Jahr 1964 zurück, wo der Warenkorb noch ein völlig anderer war.

Die Katholische Jungschar fordert eine den aktuellen Kinderkosten angepasste Kindergrundsicherung für alle Kinder in Österreich. Diese würde Kinderarmut massiv reduzieren und damit auch die Chancen auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von Kindern erhöhen.

Armut bedeutet im Leben von Kindern viele Einschränkungen, nicht nur im materiellen Sinne. Sie wirkt sich auf Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Wohnen und soziale Teilhabe aus.

Umso wichtiger ist es, dass die Politik bei der Lebenssituation der Betroffenen ansetzt und die Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuung, Bildungseinrichtungen, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit verbessert, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe oder Religion.

Stephanie Schebesch-Ruf
Bundesvorsitzende der Katholischen Jungschar Österreich