November 2018

Hans Riedler: Christlich geht anders, weil …

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… die Mindestsicherung neu schon wieder in die falsche Richtung geht.

Die Bundesregierung plant, die Mindestsicherung für ganz Österreich zu vereinheitlichen – das ist unterstützungswürdig. Zwei der bisher bekannt gewordene Details sind jedoch entschieden abzulehnen und würden sicher wieder von den Höchstgerichten aufgehoben:

Eine fünfjährige Wartefrist für EU-Bürger und sonstige Drittstaatsangehörige einzuführen „geht am Zweck der Mindestsicherung vorbei“, wie der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk meiner Überzeugung nach zu Recht feststellt. Wovon sollen diese Menschen während dieser fünf Jahre leben? Sollen sie kriminell werden?

Wer nicht über entsprechende Deutsch- oder Englischkenntnisse verfügt, soll 300 Euro weniger bekommen. Das betrifft laut einer Studie auch viele Österreicher und Österreicherinnen. Um besser Deutsch und/oder Englisch zu sprechen, da sind wohl andere Maßnahmen menschlicher und zielführender.

Bei den Ärmsten der Armen zu sparen fällt unserer Regierung sehr leicht. Wann endlich tragen die Vermögenden und Konzerne mit ihren Milliarden entsprechend dazu bei, unser Budget für Bildung, Soziales, Gesundheit, Integrationsmaßnahmen usw. zu sichern?

Hans Riedler
4040 Linz, Hofmannstrasse 10

27.11.2018

Traude Novy: Wirtschaft, Soziales und Umwelt gemeinsam denken!

Black Friday.

Anlässlich des 60 jährigen Jubiläums der Aktion Familienfasttag hat die Katholische Frauenbewegung zu einem Symposium geladen. Diese Veranstaltung befasste  sich, angesichts der tiefgreifenden Herausforderungen unserer Zeit, mit dem dringend gebotenen ökonomischen, ökologischen und sozialen Wandel und der Rolle der Frauen in diesem Prozess.

Eine Woche nach dieser beeindruckenden Veranstaltung wurde mir die Dringlichkeit dieses Wandels und die Bedeutung der Rolle von uns Frauen bei diesem Vorgang wieder einmal deutlich vor Augen geführt. Die Macht derer, die keine anderen Interessen haben, als aus uns Bürgerinnen und Bürgern gedankenlose Konsumentinnen zu machen, zeigte sich wieder einmal in ihrer ganzen Stärke. In allen Medien und in allen Konsumtempeln wurde da für einen „Black Friday“ geworben.

Black Friday: Marketingschmäh für „immer billiger-KonsumentInnen“

Anfangs verstand ich gar nicht, was damit gemeint war, denn meine Assoziationen zu black gingen eher in die Richtung Trauer, Mahnwache, Erinnerung. Aber weit gefehlt, black Friday ist einer von vielen Marketingschmähs, der aus den USA kommend, uns gewalttätig aufs Aug gedrückt wird. In den USA ist der Freitag nach Thanksgiving der Tag einer Rabattschlacht, der das Weihnachtsgeschäft einläuten soll – wieso er Black Friday heißt, weiß wahrscheinlich niemand. Findige Experten, deren einzige Aufgabe sichtlich darin besteht, uns Bürgerinnen und Bürger zu verblöden und zu willfährigen „immer mehr, immer billiger-Konsumentinnen“ zu machen, haben diesen seltsamen Brauch nun auch zu uns gebracht. An dem bewussten Freitag im November konnte man weder fernsehen noch an Einkaufsstraßen und Shopping-Centern vorbeigehen, ohne von dem Geplärre und den Werbeflächen für supergünstige Einkaufsmöglichkeiten belästigt zu werden.

Wie seriös ist eine Wirtschaft, die uns einreden will, dass wir als Konsumentinnen die Verantwortung dafür haben, was produziert wird, indem wir es kaufen, oder auch nicht, die aber gleichzeitig und flächendeckend eine brutal die Gehirne waschende  Werbemaschinerie anwirft? Und wieso lassen wir uns das gefallen?

Wirtschaft, Soziales und Umwelt kann nur gemeinsam gedacht werden

Der  bolivianische Zukunftsdenker Pablo Solon plädierte bei dem Symposium der Katholischen Frauenbewegung dafür, dass Wirtschaft, Soziales und die Umwelt nur gemeinsam gedacht werden können, weil sie als miteinander verwobenes System insgesamt in einer schweren Krise sind. Pablo Solon ist der Überzeugung, dass erstmals in der Geschichte der Menschheit das gesamte System Erde in gefährdet  ist und dass, wenn wir so weitermachen in 10 Jahren der Point of no return erreicht sein wird. Frauen sind für ihn die Hoffnungsträgerinnen. Sie sind noch immer meist für die Grundversorgung zuständig, sie wählen außerdem weltweit eher Parteien, die sich für nachhaltiges Wirtschaften, solidarische Lebensweise und Umweltbewusstsein einsetzen. Frauen sind auch die Mehrheit bei den politischen Demonstrationen gegen die herrschenden Machtverhältnisse.

Frauen als Reparaturanstalten oder sagen, was ist?

Aber Pablo Solon machte uns auch klar, dass es ohne Kämpfe nicht gehen wird, weil das herrschende System mächtig und überall wirksam ist, wie es uns diese künstlich aufgeblasene Kaufrauschanimationsmaschine Black Friday wieder deutlich vor Augen geführt hat. Da beginnt es schwierig zu werden, denn kämpfen ist nicht die Stärke der Frauen, eher sehen sie sich als Reparaturanstalten für das von den Machthabern angerichtete Fiasko. Aber Pablo Solon sprach deutlich von einer Gegenmacht, die es aufzubauen gilt. Gegen die Macht der Konzerne, die uns nicht nur am Black Friday zu einer manipulierbaren Masse machen wollen, aber auch gegen Politikerinnen und Politiker, die alles daran setzen, uns das Mitgefühl für benachteiligte und arme Menschen abzugewöhnen.

Dagegen hilft zuallererst nur das, was Rosa Luxemburg als revolutionärste Tat bezeichnete, nämlich deutlich zu sagen, was ist. Das klingt unspektakulär, was soll Reden und Protest schon bewirken? Nicht mehr und nicht weniger als ein Schneeballsystem, das klein beginnt, die Herzen und Hirne vieler Menschen zu „verwandeln“ um dadurch tatsächliche Veränderungen möglich zu machen. Und es ist mutig, die Krise im Sorge- und Pflegebereich, den Klimawandel, die Verrohung und Unbarmherzigkeit in der Gesellschaft, das ruinöse Agrobusiness, die aus dem Ruder laufenden Finanzmärkte usw. deutlich anzusprechen und die dafür Verantwortlichen zu benennen und deren Verantwortung einzufordern.

Den Wandel wagen – eine Mutprobe

Diese Mutprobe bedeutet oft auch Liebesverlust, im Freundeskreis, in der Pfarrgemeinde, im politischen Umfeld und innerhalb der Frauengruppen. Aber wie Pablo Solon sagte, ohne zu kämpfen wird es nicht gehen. Es geht aber in diesem Kampf um nichts weniger als um die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder und die Liebe zu ihnen eint uns alle. Deshalb kann es doch nicht so schwer sein, offen und in allen Pfarrgruppen darüber zu sprechen, welchen Beitrag wir als Katholische Frauenbewegung, als Pfarrgemeinde, als Freundeskreis zu einem Systemwandel beitragen können.

Gott hat uns die Behütung der Erde anvertraut – wir machen uns schuldig, wenn wir die Erfüllung dieser Aufgabe nicht an erste Stelle unseres christlichen Handelns stellen. Wir sind damit auch nicht allein, denn überall auf der Welt gibt es Frauengruppen und solidarische Initiativen, die ähnliches denken und tun, das haben unsere Projektpartnerinnen aus El Salvador und Indien beim Symposium deutlich gemacht. Es gilt nichts weniger als der Globalisierung der Konzerne die Globalisierung solidarischer Netzwerke entgegenzusetzen. Wer, wenn nicht wir soll damit beginnen? Und statt des nächsten „Black Friday“ rufen wir einen „bunten Freitag“ aus, wo wir statt gestresst zu „shopppen“, miteinander das Leben und eine gute Zukunft feiern.

Traude Novy, Bloggerin

27.11.2018

Podcast: Zur Lage der Demokratie

Der Politologe und Mediator Christian Wlaschütz im Gespräch über die liberale Demokratie die international in den letzten Jahren deutliche Rückschläge erlitten hat. Er zeigt Herausforderungen für die Demokratie und was der/die Einzelne für das Funktionieren demokratischer Strukturen tun kann.

Betriebsseelsorge St. Pölten: Wer redet hier von Gerechtigkeit?!

Stellungnahme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diözese St. Pölten, die im Bereich Kirche und Arbeitswelt tätig sind. „Sie können und wollen nicht schweigen zur aktuellen Situation im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.“

Wer redet hier von Gerechtigkeit?!

In der öffentlichen Debatte werden im Augenblick Begriffe verschönt oder gedreht. Wir hören vom Arbeitslosengeld Neu und gemeint ist damit die Streichung der Notstandshilfe. Die Politik redet von Gerechtigkeit, wenn es um die Anliegen der „Fleißigen und Tüchtigen“ geht, aber es passiert eine Umverteilung von unten nach oben. Die Aktion 20.000 wurde zu Jahresbeginn abgesetzt, nun werden die Einsparungen bei den Beschäftigungsprojekten publik. Einige von ihnen müssen überhaupt zusperren. Das betrifft auch andere Sozialeinrichtungen, zum Bespiel Fraueninitiativen. Gleichzeitig gibt es Abgabenerleichterungen für Unternehmen.

Betroffen sind Menschen, die Monat für Monat darum kämpfen über die Runden zu kommen, die hoffen, dass kein Gerät kaputt geht, nichts Außergewöhnliches passiert. Die Mindestsicherung wurde mit dem Blick auf die Ausländer gedeckelt („Man kann doch keiner Pensionistin etwas wegnehmen!“). Doch in NÖ ist nur jeder Siebte Betroffene ein Asylberechtigter, alle anderen sind zumeist Bürgerinnen und Bürger unseres Landes! Von ihnen sind lediglich 28% arbeitslos, aber 25% in Pension, 21% krank oder behindert und 21% erwerbstätig mit zu geringem Einkommen. Im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung ist der Anteil der chronisch Kranken doppelt so hoch, dreimal so hoch der Anteil der Menschen mit Pflegebezug, viermal so hoch die Zahl der Menschen mit Behinderung.

Es sind  Frauen und Männer mit Würde, Menschen mit einmaligen Fähigkeiten, die sie auch gerne einsetzen würden. Aber sie werden von dieser Wirtschaft nicht gebraucht. In Diskussionen wird dann immer wieder behauptet, dass ihnen der Bezug gekürzt und mehr Druck ausgeübt werden muss. Das wird dann positiver Arbeitsanreiz genannt. Betriebe schreien nach Arbeitskräften und lehnen gleichzeitig Bewerber ab, oder sie beklagen keine Fachkräfte zu bekommen und bilden selbst nicht aus. Es geht längst nicht mehr um die Menschen, sondern darum, die Bedürfnisse der Wirtschaft zu erfüllen. Während von den einen verlangt wird 12 Stunden am Tag zu arbeiten bekommen immer mehr nur mehr einen Teilzeitjob.

Viele  Menschen haben Angst. Es ist die Angst nicht bestehen zu können, Angst in der sozialen Leiter abzurutschen, Angst vor der Zukunft. Als Antwort braucht es Zeichen und Räume der Hoffnung. Als Arbeiterseelsorgerinnen und –seelsorger fordern wir mit Blick auf das Evangelium Gerechtigkeit ein: Blinde sehen wieder und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird die Frohe Botschaft verkündet. (Mt 11,5) Wenn Menschen ohne Arbeit, ohne Aussicht sind, dann fühlen sie sich ausgeschlossen. Wir erleben eine Politik der Entsolidarisierung: Wir und die anderen! Damit werden die Schwächsten an den Rand gedrängt, sind draußen. Die Ausgeschlossenen sind nicht nur „Ausgebeutete“, sondern Müll, „Abfall“. (Papst Franciscus im Rundschreiben Evangelii Gaudium 53) Dem gilt entschieden entgegenzutreten. Gerechtigkeit kann nur mit dem Blick auf die Benachteiligten unserer Gesellschaft entstehen und wenn unser Handeln nach ihren Bedürfnissen ausgerichtet wird. Wir können alle dazu beitragen. Dazu braucht es aber auch eine Politik der Solidarität, die sich in einem guten staatlichen Sozialsystem zeigt.

Quelle: http://presse.dsp.at/einrichtungen/kommunikation/artikel/2018/dioezese-st-poelten-feierte-50-jahre-betriebssorge