Katholische, evangelische und orthodoxe ChristInnen in Österreich haben unter dem Titel „Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“ gemeinsam Stellung bezogen, insbesondere zur gesellschaftlichen Polarisierung und zu den bedrückendsten Problemen unserer Zeit, wie wachsende soziale Ungleichheit, steigende Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung, wachsende Armut und die Not geflüchteter Menschen.
Der Hintergrund: Besonders die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte hat einen Prozess in Gang gesetzt, der steigenden Reichtum einer kleinen Oberschicht und zunehmende Armut wie auch Unsicherheit in einem wachsenden Teil der Bevölkerung erzeugt. Er ruft Hoffnungslosigkeit und Wut hervor, gerade auch bei immer mehr Menschen, die sich um ihre Chancen und die ihrer Kinder gebracht fühlen und – oft auch zu Recht – finden, dass sie „zu kurz kommen“. Politische Parteien und Bewegungen des rechten bzw. rechtsextremen Spektrums sind im Vormarsch, welche diese Gefühle gezielt ansprechen und verstärken sowie Angst und Wut auf „Sündenböcke“ lenken: auf „die“ Flüchtlinge oder „die“ Muslime. Auch innerhalb anderer Parteien werden jene Kräfte stärker, welche die Lösung in der Anpassung an rechtsautoritäre Einstellungen und Praktiken suchen. Auf dem Spiel steht nichts weniger als der menschenrechtliche Grundkonsens (gleichzeitig ein zentraler christlicher Wert): Alle Menschen haben die gleiche Würde.
Missbrauch des Christlichen
Indes haben die letzten Wahlkämpfe gezeigt, dass christliche Werte und Symbole immer wieder für Parteipolitik missbraucht werden: Aus der christlichen Nächstenliebe werden gegenteilige Botschaften. Der Begriff „Christliches Abendland“ transportiert eine ablehnende Haltung gegenüber Muslimen. Aktuell nährt etwa der österreichische Außenminister alte Ressentiments gegenüber „den“ Türken, so sprach er jüngst im Radio von türkischen BürgerInnen als „Kulturfremden“, und streicht gleichzeitig in der Öffentlichkeit sein Christsein hervor. Verteidigungsminister Doskozil wiederum spricht in einer Nachrichtensendung nicht mehr von Flüchtlingen, also von Menschen und ihrer Not, sondern durchgängig nur mehr von „Zahlen“.
Polemik gegen die Schwachen
Die Verrohung der Sprache, verstärkte Konzentration auf nationale Sicherheitspolitik, auf Abschottung gegenüber den Menschen aus den Ländern des Südens, die Kürzung sozialstaatlicher Leistungen für arme und schutzbedürftige Menschen gehen einher mit einem sich aufheizenden Klima der Konkurrenz, der (gruppenspezifischen) Menschenfeindlichkeit und einer an (angeblichen!) „Sachzwängen“ ausgerichteten Politik. Wer in dieser Welt „nichts leistet“, „nichts eingezahlt“ hat, wer „unproduktiv“ ist, wird systematisch herabgewürdigt. In Politik gegossen bedeutet das die Kürzung der Mindestsicherung, „Null-Euro“-Jobs etc. Mit existenziellen Folgen nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für andere betroffene Gruppen wie etwa Menschen mit Behinderungen – angeblich, weil das die Gerechtigkeit so fordert. In Wirklichkeit werden Menschen und ihre Existenzen geopfert.
Der Initiative „Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“ geht es darum, den „sozialen Grundwasserspiegel“ zu heben. Im Entstehen ist eine soziale Bewegung, die aus den christlichen Kirchen kommt, aber darüber hinausgehen soll, und deren Anliegen die soziale Erneuerung der Herzen, des Denkens und auch der Politik ist. Dies wird nicht friktionsfrei ablaufen. Ablenkungs- und Täuschungsmanöver von Seiten politischer Akteure werden die Auseinandersetzungen der nächsten Jahre bestimmen: zentrale humanitäre und christliche Werte werden im Wort geführt, faktisch laufend ausgehöhlt werden. Die „MacherInnen“ sitzen in den verschiedensten politischen Parteien, genauso wie es auch Verbündete quer durch die Parteien gibt. Auseinandersetzungen, wie jene um die Kürzung der Mindestsicherung, werden uns zunehmend beschäftigen.
Bündnis für mehr Gerechtigkeit
Gefragt ist eine wachsendes Bündnis engagierter BürgerInnen – gerade auch von ChristInnen – die auf solidarische Lösungen, einen aktiven Sozialstaat, gerechte Steuerpolitik und damit auf echte Lösungen für die soziale Frage von heute pochen, die Aufklärungsarbeit leisten und mit Entschiedenheit auf rote Linien im politischen Gespräch und in den politischen Entscheidungen aufmerksam machen.
Auch wenn nicht alle Lösungen schon zur Hand sind: es braucht den Dialog und den Willen, gemeinsam danach zu streben, dass ein gutes Leben für alle Realität wird. An den Voraussetzungen mangelt es nicht – allein in Österreich wird jährlich mehr gesellschaftlicher Reichtum erzeugt und vererbt als je zuvor.
Jetzt sind viele MutmacherInnen und WandlerInnen gefragt, die Teil dieser Initiative werden, beginnend an der Basis: u.a. in den (Pfarr-)Gemeinden, Dekanaten, in den zahlreichen (sozialen) Initiativen.
Markus Blümel, Politischer Erwachsenenbildner, Solidarökonom und Öffentlichkeitsarbeiter der ksoe; markus.bluemel@ksoe.at