Elisabeth Mayer, Katholische Aktion Österreich, Präsidentin der Katholischen Aktion Salzburg
KA – keine Angst!
Wie würde die Welt, auch die kleine in Österreich, heute ausschauen, wenn nicht vielen handelnden Personen die Angst im Nacken säße? Die Angst vor dem Fremden, die Angst vor Wohlstands- und Machtverlust, die Angst, sich unbeliebt zu machen oder altmodisch zu wirken. Angst, Misstrauen und Pessimismus dürfen nicht das Handeln von Christinnen und Christen bestimmen.
Das Schüren von Ängsten darf nicht durch Wählerstimmen belohnt werden. Christlich geht anders: Hoffnung statt Angst. Aufbauen statt niedermachen. Integrieren statt ausgrenzen. Katholische Aktion heißt für mich daher auch KA – keine Angst!
Im Vertrauen auf den Heiligen Geist müssen wir uns nicht fürchten, wenn wir als Katholische Aktion für mehr Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität in der Gesellschaft eintreten.
Stephan Schulmeister, Wirtschaftsforscher
Der Sozialstaat ist die bedeutendste gesellschaftliche Innovation Europas. Sein Bestand und seine Erneuerung stehen im Zentrum der christlichen Soziallehren (siehe das „Sozialwort der christlichen Kirchen in Österreich“), er bildet die Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft und des Europäischen Sozialmodells.
Doch seit den 1970er Jahren hat der zunehmende Einfluss der (alten) Wirtschaftheorie, wonach nur die Konkurrenz von Individuen durch eine „unsichtbare Hand des Markts“ das allgemeine Beste zustande bringe. Daher wurden die Finanzmärkte „ent-fesselt“, Unternehmertum erschwert, Finanzspekulation gefördert. Das Wirtschaftswachstum sank, Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung stiegen. Und so wurde die Schwächung des Sozialstaats zu einem „Sachzwang“ (gemacht).
Deshalb nehmen prekäre Beschäftigung, Armut und Ausgrenzung seit langem zu, die berechtigten Gefühle der Verbitterten werden gegen „Sündenböcke“ gerichtet wie Flüchtlinge, Zuwanderer aus östlichen EU-Ländern (sie wollen unser Sozialsystem ausnützen – nur als billige Pflegerinnen sind sie uns willkommen), oder gegen „das“ System, „die“ EU, etc.
Dagegen müssen wird Widerstand leisten, klare Aussagen von Papst Franziskus geben die (Verteidigungs)Linie vor (aus der Enzyklika „Evangelii Gaudium“):
„Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht. Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt…….“ (Abschnitt 53)
„Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit. Dieses Ungleichgewicht geht auf Ideologien zurück, die die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspekulation verteidigen“ (Abschnitt 56).
Veronika Pernsteiner, Vorsitzende der kfb – Kath. Frauenbewegung Österrreichs
Soziale Gerechtigkeit meint immer auch Geschlechtergerechtigkeit. Die christliche Soziallehre begreift den Sozialstaat als wesentlichen Faktor bei der Herstellung und Stabilisierung sozialer Gerechtigkeit. Er ist also auch ein Bekenntnis dazu, dass Männer und Frauen gleichermaßen teilhaben sollen an Ressourcen und Chancen in einer Gesellschaft. Wo der Sozialstaat in Frage gestellt, geschmälert oder gar abgebaut wird, werden immer auch und in erster Linie Teilhabemöglichkeiten und Ressourcen von Frauen in Frage gestellt, geschmälert oder gar abgebaut.
Herabgesetzte Mindestsicherung, die Streichung oder der mangelnde, verschleppte Ausbau öffentlicher infrastruktureller Leistungen: es sind Frauen, die zuerst und stärker betroffen sind – weil sie ohnehin unter Nachteilen leiden, Kinder alleine erziehen nach einer Trennung (90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen), in Niedriglohnbranchen tätig sind (die Niedriglohnbranchen sind, weil dort hauptsächlich Frauen beschäftigt sind), vom Erwerbsarbeitsmarkt teilweise oder ganz ausgeschlossen sind, weil sie jene private Sorgearbeit tun, für die es keine professionellen, bezahlbaren Anbieter gibt.
Es sind in erster Linie Frauen, die die Auswirkungen einer neoliberal ausgerichteten Wirtschaft und Gesellschaft zu spüren bekommen, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die mangelnde Umverteilungswirkung eines Steuersystems. 5 % der österreichischen Bevölkerung verfügen über die Hälfte des gesamten Vermögens in diesem Land, Männer besitzen deutlich mehr als Frauen, mit zunehmender Größe des Vermögens wächst der Abstand.
Ein starker Sozialstaat ist möglich. Er ist das Ergebnis politischer Entscheidungen: für eine gerechte Umverteilung, für ein Bekenntnis zur Würde eines jeden Menschen, für seine existentielle Absicherung unabhängig von seiner Leistung, unabhängig vom Geschlecht.
Wo dies in Abrede gestellt wird, wo Menschen in „Würdigere“ und „Unwürdigere“ eingeteilt werden, Sündenböcke für künstlich erzeugte Defizite herhalten müssen, haben sich die dafür Verantwortlichen – PolitikerInnen, Medienschaffende, Menschen an Stammtischen, in Vereinen oder in der Nachbarschaft – von einem christlichen Ethos verabschiedet. „Christlich“ geht anders.
Abtpräses Christian Haidinger, Vorsitzender der männlichen Ordensgemeinschaften
Warum hat sich „Christlich geht anders“ formiert und warum stehe ich als Ordensmann zu dieser Initiative?
Schon mehr als zwei Jahre beobachten wir, dass der Umgang mit der sozialen Frage in Österreich in eine Richtung geht, die viele Menschen in unserem Land zutiefst beunruhigt. Gerade in den letzten Wochen intensiver Wahlwerbung wird dies immer deutlicher.
Die Blickrichtung ist nicht mehr eine umfassende Solidarität, nicht mehr der Zusammenhalt aller Menschen, die in Österreich leben.
Nicht mehr das solidarische Mittragen und Mitnehmen benachteiligter Menschen, die nicht mehr genug Möglichkeiten für ein gutes Leben vorfinden, steht im Fokus der gesellschaftlichen Anstrengungen, sondern Abgrenzung, Ausgrenzung und Ausschließung.
Ich nenne aus meiner Sicht drei Beispiele:
- Individuelles Gewinnstreben dominiert über gelebte Solidarität. Unsicherheit und Angst macht sich breit. Dafür werden „Sündenböcke“ gesucht: die Flüchtlinge, die Muslime, die Fremden. In diesen Vorwahlzeiten lässt sich damit argumentieren.
- Das soziale Netz wird verkleinert anstatt es zu verdichten, damit niemand durchfallen muss. Denken sie an die Kürzungen der Mindestsicherung.
- Der Sozialstaat wird als Feind stilisiert. Es wird so getan, als ob er uns unberechtigt Geld aus der Tasche nehmen würde. Dabei beneidet uns die ganze Welt um diese Strukturen, die Armut und ein breites Hinausfallen verhindern.
Persönlich und als Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Orden stehe ich voll und ganz hinter den Grundanliegen von „Christliche geht anders“!
Genau diese oben geschilderten Entwicklungen haben Menschen, vor allem auch Verantwortliche, aus den verschiedenen Kirchen zusammengeführt, um im „Sozialwort der christlichen Kirchen“ (2003) diesen „entsolidarisierenden Kräften“ entgegenzuwirken.
Vieles, was dort gefordert wurde ist heute aktueller denn je.
Aus der Wissenschaft, der Wirtschaft melden sich gegenwärtig wieder verantwortungsbewusste Menschen zu Wort – wie etwa Stephan Schulmeister oder Emmerich Tálos, um eine neue Solidarität einzufordern! Ich bin dankbar für diese fundierten und kritischen Beiträge zu den laufenden Entwicklungen.
Aber vielleicht fragen sie sich, warum ich als Ordensmann mich in diesem so aktuellen gesellschaftlichen Diskurs exponiere?
Als Ordensleute leben wir nicht abgeschlossen hinter dicken Klostermauern, sondern mitten in der Welt, – auch gemäß dem Auftrag Jesu: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium!“
Gerade auch Papst Franziskus ruft uns Ordensleute – und letztlich alle ChristInnen auf, „an die Ränder“ zu gehen, dorthin, wo Menschenrechte und Menschenwürde mit Füßen getreten werden. Es ist kein Zufall, dass die erste Reise des gegenwärtigen Bischofs von Rom nach Lampedusa ging, – und seither schon an viele „Ränder“ dieser Welt! Leben in der Nachfolge Jesu fordert dazu heraus, mit und bei den Armen und Schwachen und Hilflosen zu sein!
Wenn es um tiefgehende Entwicklungen in der Gesellschaft geht, dann gilt es hellwach zu sein und genau zu beobachten. Wir können nicht mitansehen und passiv daneben stehen, wenn auf die großen sozialen Fragen entsolidarisierende Antworten gegeben werden.
In Gemeinschaft mit den Ortskirchen stehen auch die Ordensgemeinschaften dafür, dass jede und jeder unabhängig von seinem Einkommen und den Leistungen den entsprechenden Platz bekommt. Das ist in den klösterlichen Gemeinschaften selbst so und das ist auch der soziale Auftrag der Orden in die Gesellschaft hinein.
Viele Ordensgemeinschaften sind bekannt dafür, dass sie Akuthilfe leisten, soviel nur möglich ist. Wenn aber, wie es jetzt aussieht, der Sozialstaat löchriger wird, die Viel-Habenden weniger beitragen sollen und das Steuersystem auf ungerechte Weise aufgeweicht wird – woher bitte sollen 14 Milliarden kommen, die eingespart werden müssen (diese Zahl ist mir kürzlich genannt worden) -, dann müssen wir warnend unsere Stimme erheben.
Ich erhebe daher die fordernde Bitte:
Arbeiten wir in Richtung gerechter Strukturen, in Richtung eines Sozialstaates, der diesen Namen verdient!
Balancieren wir diese immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich neu aus auf eine gerechte Besteuerung hin, damit das soziale Netz nicht kleiner, sondern für alle und mit allen tragfähiger wird.
Die Sozialen Fragen verdienen solidarische Antworten und nicht den Egoismus von Wenigen.