Derzeit höre ich viel von den Ängsten der Menschen, die man doch ernst nehmen müsse. Diese Konzentration auf negative Gefühle und die intensive Beschäftigung damit auf allen Ebenen wo Auseinandersetzung geschieht, von der Politik, den Medien bis zum Gespräch im Freundeskreis lähmt unsere Antriebskraft und unsere Lust auf die eigenmächtige Gestaltung unserer Lebenswelt.
Rainer Werner Fassbinder hat in dem Film „Angst essen Seele auf“ aus dem Jahr 1974 die Probleme eines marokkanischen Gastarbeiters in Deutschland thematisiert – und dabei deutlich gemacht, wie die Angst ein gutes Zusammenleben zerstört. Dieser Film ist aktueller denn je. Gerade im Advent wäre es aber den Versuch wert, den Blick auf das Gute, dem wir begegnen zu richten, statt uns die Seele von der Angst auffressen zu lassen. Was könnten wir also zum Guten Leben für alle beitragen, damit die Hoffnung die Angst besiegt?
Wenn ich mir die öffentliche Diskussion anhöre, so lassen sich die Ängste, von denen Menschen beherrscht werden, vorwiegend in folgende Bereiche einordnen:
– Da gibt es die Angst durch Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern die eigene Kultur, Tradition und die eigenen Werte zu verlieren.
– Viele Menschen haben Angst davor, keinen Arbeitsplatz zu bekommen, oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren
– damit verbunden ist die Angst vor sozialem Abstieg, dass es den eigenen Kindern einmal schlechter gehen wird
– es gibt auch die Angst, durch die Zugehörigkeit zur EU nationale Identität zu verlieren.
-es gibt aber auch die Angst jener, die durch die angstgetriebene Suche nach einem starken Mann und zunehmender kritikloser Hinnahme autoritärer Regierungen, um den Fortbestand der Demokratien in Europa fürchten.
Entscheidend für eine hoffnungsvolle Zukunft wird es sein, diesen Ängsten Handlungsmöglichkeiten und eine Vision vom geglückten Leben entgegenzusetzen.
Zur Angst vor Zuwanderung wäre zu sagen: In einer Welt, wo der Austausch von Waren rund um den Globus alltäglich ist, wird es nur unter Anwendung von grausamer Gewalt möglich sein, Menschen daran zu hindern, vor Krieg, Hunger und Unterdrückung zu fliehen. Unsere mitteleuropäischen Länder werden bunter werden, egal was wir tun. Wie kann aber dieses Zusammenleben glücken?
Statt uns auf die unbestrittenen Probleme zu konzentrieren, kann es uns doch eigentlich glücklich machen, was wir seit dem September 2015 geschafft haben. Gestern hat sich der junge Afghane, der seit fast 2 Jahren bei uns wohnt, telefonisch mit einem syrischen Flüchtling in fast makellosem Deutsch unterhalten – da wachsen auch junge Mitbürger und Bürgerinnen heran, die gerne hier in Österreich leben und unsere Gastfreundschaft sehr schätzen und die ihren Beitrag zu unserem Gemeinwesen leisten werden – das macht mich glücklich!
Ich bin allerdings nicht so naiv zu glauben, dass diese Integration einfach und billig zu haben ist. Sprechen wir doch einmal statt von unseren Ängsten, von den tausenden Menschen, die Flüchtlinge in verschiedener Form begleiten und unterstützen – vom Lernen mit Kindern angefangen bis zum Sport und Freizeitgestaltung und der Begleitung im Alltag und bei Behördenwege. Diese Begegnungen sind zumeist für beide Seiten bereichernd und tragen dazu bei unser Land für alle lebenswert zu machen. Wir können alle stolz auf das große solidarische Potential in unserer Gesellschaft sein.
Die Angst den Arbeitsplatz zu verlieren, ist eine sehr konkrete – auch dagegen hilft nur die Solidarisierung. Eine Ich-AG kann erfolgreich sein, aber sehr schnell auch abstürzen. Zusammenschlüsse von KleinunternehmerInnen, die helfen, das Risiko zu minimieren, stärken da Gemeinschaftsgefühl und ermöglichen politische Einflussnahme. Es ist auch nicht altmodisch, sich gewerkschaftlich zu organisieren, um Gegenmacht zu den Thinktanks der Industriellenvereinigung zu entwickeln.
Nur Kooperation statt einseitiger Konkurrenz bewahrt uns vor (Selbst-)Ausbeutung und lässt uns in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt neue Arbeitsformen, Arbeitszeitverkürzung und auch einen neuen Blick auf die Wertschöpfung in der Gesellschaft andenken. Das, was jemand für die Gesellschaft leistet, muss danach beurteilt werden, welchen Beitrag zum Guten Leben für alle durch diese Leistung entsteht – Finanzieller Gewinn ist da eine sehr mangelhafte Messlatte. Viele solidarökonomische Betriebe haben sich auf den Weg gemacht, von Beteiligungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft bis zu neuen Genossenschaftsmodellen, wie sie z.B. die Fairtrade-Bekleidungsinitiative „Göttin des Glücks“ gerade versucht.
Der Angst vor dem materiellen Abstieg der nächsten Generation müssen wir alle entgegenwirken, indem wir daran arbeiten, unser Wirtschaftssystem wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das Auseinandertriften der Vermögen und Einkommen hat auch in unserem Land abstruse Ausmaße angenommen. Wenn 1 % der Bevölkerung 40% des Gesamtvermögens besitzt, dann zerstört das unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es ist erwiesen, dass immer mehr Reichtum nicht glücklicher macht – Armut allerdings macht unglücklich. Dagegen müssen wir etwas unternehmen.
Es ist dringend nötig, dass wir lernen, Wirtschaft anders zu denken und den Arbeitsbegriff zu erweitern. Die Arbeit im Sozialbereich ist meist schlecht – oft auch gar nicht bezahlt – aber sie ermöglicht jenen die diese Arbeit tun ein erfülltes Leben und jenen, an und mit denen diese Arbeit getan wird, geglückte Teilhabe an der Gesellschaft. Das muss sich auch in der Entlohnung auswirken und es ist höchst an der Zeit, dass sowohl Männer wie auch Frauen sich gleichermaßen an dieser sozialen Arbeit beteiligen können.
Die Frage muss erlaubt sein „welche Arbeit nützt der Gesellschaft?“, damit die Überschätzung der Leistung in der Finanzwirtschaft und im digitalen Bereich korrigiert werden kann und in diesen Bereichen mehr Kontrolle ermöglicht wird. Die Initiative „christlich geht anders“, der sich bereits viele Menschen angeschlossen haben, hat es sich zur Aufgabe gestellt, Solidarität und die Option für die Armen als die Kernbotschaften unseres Glaubens wieder zu stärken. Unterstützen wir diese Initiative und mischen wir uns in die politische Diskussion ein, weil es um unser aller gutes Leben und um die Zukunft unserer Kinder geht.
Wenn wir uns fragen, was uns wirklich glücklich macht, so rangiert wahrscheinlich der Wunsch nach mehr Geld nur bei den wirklich Benachteiligten ganz weit vorne, alle anderen verbinden mit Glück ganz andere Vorstellungen – eine glückliche Familie, Zugang zu Kunst und Kultur, eine gesunde Umwelt, ein Wohnbereich, der Möglichkeiten für Begegnungen, Freizeitgestaltung und zum Feste feiern bietet, ohne dass dafür unbedingt etwas bezahlt werden muss, sichere öffentliche Räume. Ein ängstlich gehütetes großes Bankkonto ist hingegen oft hinderlich für den Lebensgenuss – weil es den Blick von den wirklichen Freuden ablenkt und die Angst es zu verlieren, die Lebensfreude einschränkt.
Gerade im Advent ist es an der Zeit, uns nicht von unseren Ängsten niederdrücken zu lassen, sondern die größere Hoffnung in uns zu nähren. „Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet ihn herab“, diese Zeilen eines alten Liedes und so vieles was wir in diesen Wochen an prophetischen Worten und Mutmachliedern nicht nur in den Kirchen hören, geben Hoffnung wider jede Hoffnung, sind Kraftquelle und Stärkung damit wir unsere Ängste loslassen können und sie nicht Schaden an unserer Seele anrichten. Dann kann Weihnachten kommen und uns die große Freude für alle verkünden.
Traude Novy, Bloggerin
Vielen Dank für die Ermunterung!
Gut, dass Sie einen Anfang gemacht haben und Gleichgesinnte vereinen. Die Begleitung der Flüchtlinge ist fast wie ein Honigbrot im Vergleich mit den saturierten Christen unseres Umfeldes. Ich habe mit unseren anvertrauten Flüchtlingen ganz neue Formen der Zuwendung erleben können.