Traude Novy: Abgewirtschaftet versus sich in die Gestaltung unserer Welt einmischen

In meiner Kindheit meinte man, wenn man von „So einer Wirtschaft“ sprach, eine große häusliche Unordnung, in Bayern bezeichnet man mit dem Wort Wirtschaft noch immer ein gemütliches Wirtshaus – aber mit der Zeit haben wir uns daran gewöhnt, dass „Wirtschaft“ etwas ist, womit sich nur einige wenige „Eingeweihte“ befassen und was mit unserem ganz normalen Leben eigentlich nichts zu tun hat. „Werch ein Illtum“ würde Ernst Jandl sagen.

Der Staat schafft keine Beschäftigung?

Einige Ereignisse der letzten Wochen haben mir wieder deutlich gemacht, dass unser biblischer Anspruch auf Gerechtigkeit unmittelbar danach verlangt, uns intensiv mit Wirtschaft, ihren Ausdrucksformen und Auswirkungen intensiv zu beschäftigen. Denn eingeengtes ideologisches Denken verstellt den Blick auf die Wirklichkeit.

Da behauptet z.B. unsere Sozialministerin vor den Abgeordneten des Parlaments, dass staatliche Beschäftigungsprogramme Ausdruck anachronistischen kommunistischen Denkens wären, weil der Staat eben keine Beschäftigung schaffen könne.

Wie muss das auf Stadtplanerinnen, Bauarbeiter, Eisenbahner wirken, die öffentliche, mit Steuergeld finanzierte Infrastrukturprogramme umsetzen? Wie auf Lehrerinnen, Sozialarbeiter, Ärztinnen und Krankenpfleger im öffentlichen Dienst? Wie auf alle Beamtinnen und Beamte, die unser im Großen und Ganzen doch gut funktionierendes Gemeinwesen verwalten? Sie alle sind von Investitionen der öffentlichen Hand abhängig, sie alle zahlen Steuern, investieren und konsumieren und tragen so zum erfolgreichen Wirtschaftsstandort Österreich bei.

Der Haushalt als Grundlage einer erfolgreichen Wirtschaft

Den Begriff Wirtschaft auf den schmalen Bereich der privaten For Profit Wirtschaft einzugrenzen, verfälscht das Bild, das eine erfolgreiche Volkswirtschaft abgibt. Ebenso wird im staatlichen Bereich, in dem großen Sektor der Non Profit Ökonomie gewirtschaftet, ja und der einzelne Haushalt, von dem das Wort Ökonomie ja abstammt, ist die Grundlage dafür, dass Wirtschaft insgesamt funktionieren kann. Nicht zu vergessen ist auch der zumeist unterbelichtete Teil der illegalen bis kriminellen Wirtschaft an den wir alle wissentlich oder unwissentlich immer wieder zumindest anstreifen.

Noch deutlicher wird es, wenn wir den Blick auf die sogenannte Care-Ökonomie richten, also jenen Teil der Wirtschaftsleistungen, die in hohem Maße unbezahlt und vorwiegend von Frauen erbracht wird.

Damit die For Profit Wirtschaft überhaupt funktionieren kann, braucht es als Voraussetzung die Fürsorge, Versorgung, Bildung, Reinigung und Pflege. Dieser Teil der Wirtschaft funktioniert aber nach völlig anderen Regeln als die sich immer wieder beschleunigende industrielle und digitale Wirtschaft. Diese Arbeit ist zumeist umso besser, je mehr Zeit dafür zur Verfügung steht. Hier geht es nicht um Konkurrenz sondern um eine gute Kooperation.

Kosten der Arbeit in der Realwirtschaft

Da Industrie- und digitale Arbeit immer billiger, weil rationalisierbar wird, steigen die Kosten der Arbeiten an und mit Menschen. Aber diese Arbeit macht unser Leben erst lebenswert. Denn wir Menschen sind nicht unabhängige Einzelwesen, sondern wir sind unser Leben lang voneinander abhängig. Das muss als Tatsache zur Kenntnis genommen werden. Deshalb sollte der Staat seine Steuern nicht vorwiegend aus der Besteuerung von Arbeit beziehen, sondern seine Einnahmen auf digitale und industrielle Wertschöpfung und Vermögen umlenken.

Solange die Care-Ökonomie aber nicht als wichtiger Teil der Wertschöpfung, sondern als Kostenfaktor gesehen wird, der vor allem das Sozialbudget belastet, wird es nicht zu einer gerechten Wertschätzung und Bezahlung dieser Arbeiten kommen und auch die gerechte Verteilung dieser Tätigkeiten zwischen Frauen und Männern bleibt Illusion.

Wirtschaft als Krypto-Illusion

Aber es tun sich in letzter Zeit noch andere Fallen auf. Jetzt wird nicht allein mehr von der „Finanzindustrie“ gesprochen, die ja, wie die Finanzkrise deutlich zeigte,  mit echter Industrie nichts gemein hat, sondern es werden auch Bitcoins „geschürft“, so als ginge es dabei um vorhandene Bodenschätze und nicht um nur in den Fantasien der handelnden Personen imaginierte Werte.

Die sprachliche Vortäuschung realer Werte soll Seriosität vermitteln. Aber hier ist nicht einmal das vorhanden, was Goldgräber immer schon motiviert hat, das Unmögliche zu wagen, nämlich wenigstens ein Stäubchen echte Grundlage.

Nachhaltige Wirtschaft nur durch verantwortliches Handeln

Am letzten Sonntagvormittag sprach der Filmemacher Werner Boote über seinen neuesten Film „Green lies“. Darin zeigt er auf, wie Konzerne auf das Bedürfnis der Kundinnen nach Nachhaltigkeit aufspringen, ohne eine echte Umkehr zu einer ökologisch verträglichen Produktion anzugehen. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen durch die Palmölproduktion ist da ein eindrucksvolles Beispiel. Die Perversität auch von solch gut gemeinten Sendungen zeigte sich daran, dass zwischendurch Werbung eben auch für Großkonzerne geschaltet wurde.

Aber Werner Boote hat schon recht, durch einen fairen und echt nachhaltigen Konsum allein werden wir die Industrie nicht zum Umdenken bringen, dazu ist das System zu mächtig und vernetzt, dafür braucht es ein Handeln der Politik mit Vorschriften und Regeln. Die werden aber ohne einen sich in Wahlergebnis niederschlagenden Druck aus der Bevölkerung nicht kommen.

Um ein gutes Leben aller Menschen anstreben zu können und zur Behütung der Schöpfung halte ich es als eine wichtige Christenpflicht, sich in die Gestaltung unserer Welt einzumischen. Grundvoraussetzung des Einsatzes für mehr Gerechtigkeit in unserem Land und weltweit ist es daher, sich mit den Fragen der Wirtschaft intensiver auseinanderzusetzen und den enggeführten Wirtschaftsbegriff der For Profit-Lobbyisten zu erweitern.

Traude Novy
Bloggerin

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