Traude Novy: Voodoo Politik

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Bis zur Wahl werden wir das ewige Mantra der doch ziemlich rüde aus ihren Ämtern entfernten Ex-Regierungsparteien hören: „Wir wollen den erfolgreichen Weg fortsetzen.“ Besonders der junge Altkanzler bedient sich dieser Formel mit dem Zusatz „Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden.“ In meinen Augen klingt das nach einer gefährlichen Drohung, die aber einen hohen Realitätswert hat.

Das Sittenbild, das uns die Freiheitliche Partei aus Ibiza geliefert hat und uns durch massiv auftretende „Einzelfälle“ immer noch liefert, hindert sichtlich viele Menschen nicht daran, diese Partei am 29. September zu wählen. Das Konglomerat aus sozial im Stich gelassenen Menschen und vielen zunehmend verrohten (Groß)-Bürgerlichen ist größer als es sich die meisten Österreicher und Österreicherinnen vorstellen konnten.

Gibt es bei den an den Rand gedrängten die Hoffnung, durch eine Politik, die darauf achtet, dass niemand zurückgelassen wird, sie wieder ins gemeinsame Boot zu holen, besteht bei den unzufriedenen Bürgerlichen die Gefahr, dass sie all ihre Macht und ihren Einfluss einsetzen werden, damit sie ihre Privilegien erhalten und ausbauen können, dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Man muss nur in die USA und nach Brasilien schauen, wo die Börsen darüber jubeln, dass menschenverachtende Politiker an der Macht sind, weil die ihre Interessen vertreten.

Zerschlagung bewährter Strukturen
Dennoch, es ist eine Minderheit, die antidemokratische und entsolidarisierende Politik machen möchte, wäre da nicht eine sich bürgerlich und christlich-sozial gebende Partei deren jugendlich unerfahrener Chef dafür plädiert, die sogenannte „Mitte-Rechts-Koalition“ fortsetzen zu wollen. Seine einzige Bedingung ist, dass die FPÖ einige zu offensichtliche Grauslichkeiten sein lässt.

Er sieht es als erfolgreichen gemeinsamen Weg, die Selbstverwaltung der Gesundheitsversorgung  zu zerschlagen, durch „hässliche Bilder“ von ertrunkenen Menschen das Zuwanderungsproblem vermeintlich in den Griff zu bekommen, Aufnahmezentren in Ausreisezentren umzuwandeln, die Grundversorgung der Ärmsten zu kürzen und deren Rechtsanspruch wieder in ein Almosensystem umzuwandeln. Er wirbt vor den Wahlen damit, dass er einer ist, der unsere Sprache spricht – nein, meine Sprache spricht er nicht, sondern jene der ressentimentgeladenen Solidaritätsverweigerer.

Ein erwachsener und sozial reifer Politiker hätte die Aufgabe, Vorurteile abzubauen. Statt dessen spricht Kurz von jenen, die in der Früh aufstehen und jenen, die es nicht tun, er spielt das Parlament, das ja die demokratische Volksvertretung ist, gegen „das Volk“ aus (sollte uns bekannt vorkommen), er spricht von Transparenz und versteckt horrende Parteispenden, bis er durch ein Datenleck in seiner Buchhaltung dazu gezwungen wird, Farbe zu bekennen.

Er spricht zurecht von einer Demokratiegefährdung durch einen „Hackerangriff“, allerdings beweisen die tatsächlich widerrechtlich veröffentlichten Unterlagen, dass es da auch eine andere Demokratiegefährdung gibt, weil eben nur seine Partei von den Mächtigen dieses Landes so massiv gefördert wurde. Er spricht von Manipulation der Daten und gibt nicht zu, dass alles, was da veröffentlicht wurde, tatsächlich aus der ÖVP-Buchhaltung stammt.

Er spricht von einem neuen Politik-Stil und hat dennoch im Jahr 2017 wissentlich die zulässigen Wahlkampfkosten fast um das Doppelte überschritten. Möglicherweise verdankt er seinen Wahlerfolg diesem massiven Mitteleinsatz – so viel zu Demokratie.

Nulldefizit-Voodoo statt Klimainvestitionen
Und dann ist diese abgesetzte Regierung vor allem stolz darauf, dass sie die Schuldenpolitik beendet hat. Dazu gäbe es viel zu sagen. Es ist keine exorbitante Leistung, in Zeiten der Hochkonjunktur weniger Schulden zu machen, andererseits ist es nicht sehr klug, Investitionen gegen die Klimakrise wegen einer großen 0 aufzuschieben, noch dazu wo Österreich derzeit für Schulden keine Zinsen zahlen würde und Investitionen dringend nötig wären, um das EU-weit zu viel vorhandene Geld in vernünftige Bahnen (im wahrsten Sinn des Wortes) zu lenken.

Das ewige Beschwören von volkswirtschaftlich unhaltbaren Zielen, wie dem eines Nulldefizits würde ich im Bereich des Voodoo Zaubers ansiedeln. Als Voodoo Politik bezeichne ich es aber auch, wenn eine Partei, für die Schulden angeblich das Böse an sich sind, selbst bis weit über beide Ohren verschuldet ist. Da muss viel Glaube an die Zauberkraft ihres Gurus dahinter stecken, mit Seriosität einer sich als Wirtschaftspartei ausgebenden Organisation hat das nichts zu tun.

Investitionen in die nächste Generation
Um klar zu stellen, ohne dass Schulden gemacht werden, funktioniert der Kapitalismus nicht – es ist nur die Frage wer und wofür. Wenn uns die konservativen Parteien ständig die schwäbische Hausfrau, die nicht mehr ausgeben als einnehmen kann, als Beispiel vorführen, wird man schon fragen dürfen: woher hat denn diese schwäbische Hausfrau ihr Häuschen?

Ganz ohne Schulden? Schafft das irgendjemand? Es sollte also außer Streit stehen: Schulden sind gut, wenn sie so gemacht werden, dass sie Werte schaffen, die sich auf lange Sicht rechnen und die Schuldner in der Lage sind, sie ohne große Einschränkungen zurückzahlen zu können. Schulden, die für den Ausbau von Bildungseinrichtungen, Infrastruktur und im Kampf gegen den Klimawandel getätigt werden, sind Investitionen in die nächsten Generationen, da schadet es nichts, wenn diese auch an der Rückzahlung beteiligt werden.

Die Absicht der GroßspenderInnen
Da komme ich jetzt wieder zur schwer verschuldeten ÖVP. Also einerseits sind es in ökonomischer Sicht „gute“ Schulden, weil sie sich für die Partei sichtlich gerechnet haben, die gesetzwidrig fast zu 100% überzogenen Wahlkampfkosten haben es mitermöglicht, dass die ÖVP zumindest für 17 Monate das Bundeskanzleramt erobern konnte und aller Voraussicht nach auch nach der Wahl behalten wird.

Aber sind es auch gute Schulden in dem Sinn, dass sie auch seriös zurückgezahlt werden können? Mit den Zuschüssen aus Steuermitteln wird das sicher nicht gehen, also mussten SpenderInnen her und die fanden sich zahlreich. Die Frage muss erlaubt sein, was die Financiers der ÖVP mit ihren Spenden beabsichtigten, denn auch Milliardärinnen und Konzernchefs überlegen sicher wofür sie spenden.

Wenn ich von mir ausgehe, so spende ich an Organisationen, von denen ich annehme, dass sie meine Anliegen vertreten: an die Caritas, damit sie jenen Menschen auf die Beine hilft, die von der Politik vergessen werden, an Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, damit wenigstens privat das getan wird, wovon die Politiker ständig sprechen, es aber nicht tun, nämlich die Hilfe vor Ort in den armen Ländern. Ich spende auch an Organisationen der Zivilgesellschaft, damit sie meine Interessen vertreten und bei den PolitikerInnen für meine Anliegen Druck machen.

Was erwarten sich nun die zahlreichen GroßspenderInnen von der ÖVP? Ich fürchte, sie geben ihr Geld nicht, damit die ÖVP eine echte christlich-soziale Politik macht, sondern sie erwarten sich, so wie auch ich durch meine Spende, eine Stärkung ihrer Interessen und die sind nun mal nicht auf Verteilungsgerechtigkeit aus. Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer wird eine so geförderte ÖVP sicher niemals einführen, dafür aber eine Senkung der Konzernsteuern. Die sich so viel auf ihre Wirtschaftskompetenz einbildende ÖVP macht sich also durch eine maßlose Verschuldung von GroßspenderInnen abhängig.

Es ist eine echte Voodoo Politik, die uns Glauben machen will, dass die Zauberkraft des jugendlichen „Erlösers“, der selbst enorme Schulden zu verantworten hat, uns die große Budget 0 beschert, die außerdem wirtschaftspolitisch ziemlich irrelevant ist. Wer allerdings so viel Wert auf Schuldenfreiheit legt, der sollte zumindest seine eigene Buchhaltung in Ordnung halten können und nur so viel ausgeben, wie er ohne sich abhängig zu machen, auch zurückzahlen kann.

Traude Novy, Bloggerin

September 2019

3 Comments

  1. Sehr geehrte Frau Novy! Vielen Dank für Ihre Ausführungen zur aktuellen Politik in Österreich. Sie formulieren so treffend und zeigen auf, was sonst verschwiegen wird.
    Wenn man Befragungen im TV sieht, loben die meisten Leute, dass etwas weiter gegangen sei durch die Kurz(e)-Regierung. Ich denke mir dann: Schauen die Leute nicht auf die Inhalte? Der Rattenfänger von Korneuburg scheint wieder auferstanden zu sein! Als mit der Kirche verbundener Mensch freue ich mich doppelt, dass mit einer Aussendung der KA solche Ideen, wie in Ihrem Artikel, verbreitet werden! Alles Gute! Helmut Schriffl

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