Redaktion

Gibt es Hoffnung für flüchtende Menschen?

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Menschenwürdige Unterkünfte stehen bereit!

Uns wird nicht erst in diesen Tagen das ungeheure Ausmaß der Flüchtlingskatastrophe vor Augen geführt. Auf unseren Urlaubsinseln im Mittelmeer, besonders auf Lesbos, leben Menschen unter erbärmlichen Bedingungen. Gleichzeitig bleiben viele europäische Grenzen zu – auch die Österreichs.

In den letzten Wochen haben Initiativen in Österreich mögliche Quartiere und Betreuung organisiert, aber die Regierung verweigert hilfesuchenden Menschen weiterhin die Einreise und somit die Möglichkeit einen Asylantrag stellen zu können. Die traditionelle Herbergsuche in den Pfarren wurde coronabedingt mehrheitlich abgesagt. Die Herbergsuche für Menschen auf der Flucht ist offensichtlich ohne Erfolg.

Wie können wir als Christinnen und Christen da hoffnungsfroh Weihnachten feiern?

Die Initiative Christlich geht anders weist in ihrem kürzlich verfassten Manifest „Die Hoffnung ist kühn“ (www.christlichgehtanders.at) darauf hin, dass angesichts der Pandemie die Situation von 80 Millionen Flüchtlingen weltweit sich dramatisch zuspitzt. Die Außengrenze Europas im Mittelmeer ist eine der tödlichsten Grenzen der Welt. Die Unterstützung vor Ort, wie auch von der österreichischen Bundesregierung betrieben, reicht bei weitem nicht aus, um die menschenunwürdigen Bedingungen auch nur annähernd zu beheben und den dort lebenden Menschen damit eine Perspektive zu geben.

Daher fordert Christlich geht anders die Aufnahme besonders gefährdeter Personengruppen in Österreich. Wir appellieren an das (christliche) Gewissen der Regierung zumindest für einen Teil der Betroffenen menschenwürdige Unterkünfte in Österreich zu ermöglichen!

Die Hoffnung darauf ist kühn, meint Christlich geht anders dazu in Anlehnung an ein Zitat in der neuen Sozialenzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus.

„Die Hoffnung ist kühn.“ (Fratelli tutti 55)

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Soziales Manifest für die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen.

Am 18. November 2016 trat die Initiative Christlich geht anders (CGA) erstmals mit einem Grundsatztext an die Öffentlichkeit. Dieser Text macht vor allem auf Phänomene wie Arbeitslosigkeit, die Not der Geflüchteten und Armut in ihren mannigfaltigen Ausprägungen aufmerksam. Im Licht der christlichen Grundbotschaft der Verbundenheit von Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe wird die Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit und der Stärkung des Sozialstaats als Ausdruck „organisierter Solidarität“ betont.

Seitdem hat Christlich geht anders durch eine Vielzahl von Aktivitäten die Prinzipien des Textes öffentlich vertreten. Das CGA-Spiel, unzählige Veranstaltungen, die Veröffentlichung eines Buchs, die Aufnahme von Podcasts sowie eine Vielzahl von Blogs, Artikeln und anderen Beiträgen sprechen unterschiedliche Menschen an; die Reaktionen zeigen das Ausmaß des Interesses und der persönlichen Betroffenheit durch sozialpolitische Themen.

Der Text hat folglich nichts von seiner Bedeutung verloren; ganz im Gegenteil zeigt uns die Corona-Krise wie durch ein Brennglas die sozialen Verwerfungen und Ungleichheiten in der Gesellschaft. Was vorher gerade noch verschweigbar und versteckbar war, ist in den letzten Monaten mit einer großen Vehemenz zum Vorschein gekommen: ob die „HeldInnen der Heimat“, die Jungen oder die MigrantInnen, sie alle stehen für Systemrelevanz, sind aber viel zu selten Thema des öffentlichen Diskurses.

Daher hat sich CGA entschlossen, die Hauptthesen noch einmal zu schärfen und um Erkenntnisse aus der Corona-Krise zu erweitern. Aus der Sicht von CGA soll das Ziel politischen Handelns nicht sein, zur früheren „Normalität“ zurückzukehren, sondern die Krise als Motor zur Veränderung zu nützen. Dass dies bei entsprechendem politischen Willen auch rasch und umfassend möglich wäre, ist eine der wesentlichen Erkenntnisse der letzten Wochen.

Als christliche Initiative regt Christlich geht anders vor allem auch eine Reflexion im Lichte des Glaubens an, in denen man sich im Dialog und in Lernprozessen auf eine Spurensuche nach den theologischen Dimensionen dieser Krise macht.

Das vorliegende Statement soll ein Anstoß für eine öffentliche Debatte über eine gerechte Zukunft sein. Dieser Diskurs soll sich in unterschiedlichen Räumen und Netzwerken und vor allem unter reger Beteiligung derjenigen entwickeln, die in den letzten Monaten oft erwähnt, aber viel zu wenig als aktiv Beteiligte an solchen Gesprächen gesehen werden.

In diesem Sinn werden im Folgenden den Einsichten aus der Krise jeweils politikrelevante Zielvorstellungen beigestellt. Diese sind ihrerseits bereits Ergebnisse einer Vielzahl von Konsultationen und Diskussionen unter den Christlich geht anders tragenden Organisationen und Personen.

1. Zukunftsorientierte Politik mit globaler Perspektive

Die Krise macht deutlich, dass

  • die Europäische Idee einer solidarisch getragenen Gemeinwohlorientierung gestärkt werden muss.
  • zur weltweiten Verbreitung des Covid-19-Virus zwar der global vernetzte und Gewinne optimierende Lebensstil des wohlhabenden Teils der Menschheit am meisten beigetragen hat, es überall aber die armen und benachteiligten Menschen sind, die unter der dadurch verursachten gesundheitlichen, ökonomischen und sozialen Krise am meisten leiden.
  • die globale „Flüchtlingskrise“ weiterhin mit bislang 80 Millionen geflüchteter Menschen weltweit (vgl. UNHCR) dramatisch ist, und an der EU Außengrenze in Bosnien und auf den griechischen Inseln Geflüchtete in Europa unter menschenunwürdigsten Bedingungen und ohne Perspektive leben.
  • ein auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtetes Wirtschaftssystem, das alles rund um einen großen globalen Markt organisiert, krisenanfällig ist; nicht nur bei Pandemien, sondern auch bei katastrophalen Klimaänderungen und geopolitischen Konflikten.

Daher braucht es

  • eine Aufklärung über die gemeinwohlschädigende nationalistisch orientierte Kleinstaaterei, gerade auch aus christlicher Perspektive.
  • eine Globalisierung der Solidarität mit den Menschen des globalen Südens, deren Not unbeschreiblich geworden ist.
  • eine sofortige Unterstützung der geflüchteten Menschen an der EU Außengrenze in Griechenland und in Bosnien sowie die Aufnahme der besonders gefährdeten Flüchtlingsgruppen in die EU und nach Österreich.
  • eine globale Verantwortung durch aktive Klima-, Friedens- und Entwicklungspolitik.
  • eine zukunftsfähige Politik, die solidarische Wirtschaftsmodelle fördert, die auf einer florierenden Alltagsökonomie mit Schwerpunktsetzung auf Care-Ökonomie, einer lebendigen Nahversorgung im Dorf und in der Stadt und einer funktionierenden Daseinsvorsorge aufbauen.

2. Sozialstaat mit Gestaltungskraft

Die Krise macht deutlich, dass

  • es Bereiche der Arbeitswelt gibt, die für eine funktionierende Wirtschaft und Gesellschaft besonders wichtig, jedoch von prekären Bedingungen und schlechter Bezahlung geprägt sind.
  • gleichzeitig kapitalvermögen besitzende Menschen gegenüber arbeitenden Menschen einen nicht einholbaren Vorteil genießen.
  • unzureichende Unterstützung bei Arbeitslosigkeit für viele Menschen bedeutet, in die Armut und Perspektivenlosigkeit abzurutschen.
  • sich in Krisenzeiten die Unterschiede im Zugang zu Macht und Ressourcen zwischen den Geschlechtern, zwischen arm und reich, zwischen Ländern und Kontinenten verstärken.

Daher braucht es

  • gerechte Steuern, die Vermögen und Gewinn zur Finanzierung des Gemeinwesens heranziehen.
  • einen starken Sozialstaat, der bei der Bewältigung der Corona-Krise auch die Bewältigung der Klima-Krise berücksichtigt.
  • einen starken Sozialstaat, der in den öffentlichen Sektor investiert und die Care-Arbeit leistungsgerecht entlohnt.
  • eine volle arbeits- und sozialrechtliche Absicherung aller in Österreich tätigen Menschen.
  • eine ausreichende existentielle Grundsicherung für alle.

3. SystemerhalterInnen haben viele Nationalitäten

Die Krise macht deutlich, dass

  • Österreich Frauen und Männern ohne österreichischen Reisepass oder „mit Migrationshintergrund“ vielfältige systemerhaltende Leistungen in der Krise verdankt.
  • MigrantInnen vorwiegend in prekären oder gar Ausbeutungsverhältnissen arbeiten, das heißt schlecht bezahlt und als erste entlassen werden.
  • viele MigrantInnen nicht ihren Qualifikationen gemäß eingesetzt werden.

Daher braucht es

  • eine spürbare Anerkennung dieser Leistungen, insbesondere auch materiell.
  • eine Ächtung rassistischer, ausschließender und diskriminierender politischer Sprache.
  • eine effiziente Anti-Diskriminierungspolitik in vielfältigen Bereichen wie Arbeitsmarkt, Bildungswesen oder Wohnungsmarkt.

4. Junge Menschen brauchen Perspektiven

Die Krise zeigt, dass

  • wir auf die Stimmen und Anliegen von Kindern und Jugendlichen hören müssen.
  • viele junge Menschen, die für die Wirtschaft nicht so relevant sind, von der Politik in dieser Krisenzeit vernachlässigt und alleine gelassen werden.
  • sozial bedingte Bildungsnachteile die Ungleichheit in der Gesellschaft verstärken.

Daher braucht es

  • ein Bildungssystem, durch das alle Kinder und Jugendlichen eine reale Chance bekommen, an der Gesellschaft teilzuhaben und diese zu gestalten.
  • eine offene Debatte darüber, wie Kinder, Jugendliche und ihre Familien in der Krise und der Folgezeit unterstützt werden können, um ihnen so eine Zukunftsperspektive zu vermitteln – eine Diskussion, bei der auch Kinder und Jugendliche selbst gehört werden müssen.
  • Bildung, die die Menschen befähigt, ihre und die Situation der Gesellschaft zu erfassen, um an deren Gestaltung mitwirken zu können.
  • eine auf empirischen Studien aufgebaute Politik gegen Kinderarmut und für die Förderung von Bildungsbenachteiligten.

5. Soziale Gerechtigkeit heißt auch Geschlechtergerechtigkeit

Die Krise macht deutlich, dass

  • hauptsächlich Frauen sogenannte „System erhaltende“ Arbeit verrichten, und das meist niedrig entlohnt, zu schlechten Arbeitsbedingungen oder überhaupt unbezahlt.
  • hauptsächlich Frauen es sein werden, die ihre Kosten zu tragen haben.

Daher braucht es

  • eine faire Aufteilung von Erwerbsarbeit, Einkommen und privater Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen, Arbeitszeitverkürzung und andere Instrumente zur geschlechtergerechten Verteilung von Ressourcen sowie der Sicherung der Existenz aller.
  • eine Aufwertung von Sorgearbeit auf allen Ebenen, insbesondere der finanziellen.
  • eine geschlechtergerechte Budget-, Finanz- und Steuerpolitik.

„Anpacken, nicht einpacken!“

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„Menschen suchen Lebendigkeit“, so lautet das Credo von Ferdinand Kaineder, und so könnte auch das Fazit seines neuen Buches „Anpacken, nicht einpacken!“ (Herder 2020) zusammengefasst werden. „Wo Lebendigkeit ist, da möchte ich mit dabei sein“, sagt Kaineder. Er schreibt über die lebendig machenden Dynamiken von Organisationen, Vereinen, Bewegungen, Initiativen und Communities. Seine Erfahrungen in diesem Bereich subsummierte er in sein „DREIRAUMMODELL“, deren einzelne Räume „Mitmachen“, „Vernetzen“ und „Verstehen“ dabei helfen sollen, Lebendigkeit, Zukunft und wesentliche Aspekte von solidarischen und vielfältigen „Gemeinschaften“ sichtbar zu machen und weiterzuentwickeln. Er beschreibt darin prägnant die Grundprinzipien der Soziallehre der Kirche und lässt die Grundoptionen von „Christlich geht anders“ immer wieder einfließen. Ein Ermutigungsbuch für alle, denen eine nachhaltige und solidarische Zukunft ein Anliegen ist.

Näheres zum Buch gibt es bei Herder …

Zukunft der ksoe: Brief an die Bischöfe

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Sehr geehrte Mitglieder der österreichischen Bischofskonferenz,

Ich habe nachfolgenden Brief an die Bischöfe geschickt, die mit der Neuausrichtung der ksoe betraut sind und mir ist es wichtig, auch Sie darüber zu informieren.

Es ist keine gute Erfahrung, mit 80 Jahren seine spirituelle, psychische und physische Heimat zu verlieren. Aber wenn ich mir redliche Rechenschaft gebe, so muss ich feststellen, dass ich mich in der katholischen Kirche nicht mehr zu Hause fühlen kann, obwohl ich mit vielen Menschen dort eng verbunden bin. Das ist eine lange Entfremdungsgeschichte, den letzten Anstoß allerdings gab für mich, wie seitens der Kirchenleitung mit der Katholischen Sozialakademie Österreichs umgegangen wird. Diese Handlungsweise fügt sich nahtlos in Erfahrungen, die ich als Frau, Mutter, Großmutter und auch als Funktionärin der Katholischen Aktion machen musste.

Die Katholische Kirche ist seit ich auf der Welt bin meine Heimat. In der Nachkriegszeit hat unser Kaplan für uns Kinder alles getan, damit der graue Alltag bunt und abwechslungsreich für uns wurde. Filmvorführungen, Sportfeste, Ausflüge lockten uns in die Jungscharstunden.

Das Ergebnis war, dass am Sonntag die Kirche allein mit uns Kindern voll war. In der Jugend war es dann die Diözesansportgemeinschaft in der wir lernten, dass Wettbewerb und Solidarität gut zusammenpassen. Der Freundeskreis aus Pfarre und Sport ist einander bis heute und das heißt, bis zum Tod, eng verbunden geblieben. Später waren es die Familienrunden, wo wir einander beistanden und über Gott und die Welt diskutieren lernten. Es war die Zeit des Konzils und für mich sind damals wirklich die Türen zu einer offenen Kirche aufgegangen.

Ich habe den theologischen Kurs absolviert und dort viel von den weltoffene intellektuellen Theologinnen und Theologen gelernt. Die Katholische Frauenbewegung hat mich gelehrt, als Frauen weltweit miteinander und füreinander da zu sein. Wir haben gelernt, unsere Stimme in Kirche und Gesellschaft zu erheben und ich bin unendlich dankbar dafür, dass wir dort einen reflektierten Umgang miteinander eingeübt haben. Das hilft mir, die Mühen des Alters leichter zu ertragen.

Und immer war es auch die ksoe, die Impulse gab und meinen Horizont erweiterte. Als beispielgebend für ein dialogisches Erarbeiten von Standpunkten ist mir die Entstehung des Sozialworts der Kirchen unter Federführung der ksoe in Erinnerung. Da wurde die soziale Kompetenz und Glaubwürdigkeit kirchlicher Einrichtungen ernst genommen und in einer ersten Phase bei allen Gemeinden, Initiativen und Gruppen aller Kirchen erhoben, wie ihre soziale Praxis aussieht und welche Forderungen sie an Kirche und Politik haben. Danach wurden diese Ergebnisse zusammengefasst und präsentiert und auf dieser Grundlage das Sozialwort der Kirchen verfasst. Eine solche dialogische und zukunftsweisende Vorgangsweise ist nicht nur im kirchlichen Raum einzigartig sondern auch für Kirche und Gesellschaft beispielhaft. Es ist mir deshalb unverständlich, dass gerade diese wegweisende und nachahmenswerte Arbeit der ksoe einem „Relaunch“ unterzogen werden soll.

Das Misstrauen gegenüber der breit aufgestellten gesellschaftspolitischen Arbeit der ksoe mag damit zusammenhängen, dass eine mit so vielen Traditionen behaftete Organisation wie die katholische Kirche sich schwer tut, mit Menschen aus anderen kulturellen und politischen Milieus in einen zukunftsweisenden Dialog zu treten. Eine bürgerliche Mittelstandskirche vergisst zu leicht ihr spirituelles Fundament und ihren Platz auf Seiten der benachteiligten Menschen. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Meine Kinder haben sich jahrelang in der Jungschar engagiert.

Sie haben Ferienlager organisiert und viel Freizeit mit Kindern verbracht, alles ehrenamtlich und von der Kirchenleitung unbedankt. Das Ergebnis ihrer Arbeit kann sich allerdings sehen lassen. Viele dieser „Jungscharkinder“ engagieren sich in gemeinnützigen Vereinen und in der Politik – die Kirche allerdings bot für sie keinen tragfähigen spirituellen Boden, zu eng und abgehoben war die geforderte religiöse Praxis.

Denn die Zeit der Befreiungstheologie und der Basisgemeinden war vorbei. Statt des Dialogs waren wieder Befehle von Oben angesagt. Mein Sohn, der noch als Wirtschaftswissenschaftler in brasilianischen Basisgemeinden geforscht hat, war mit der würdelosen Entmachtung von Bischof Arns und seinen Mitstreitern das Feuer für die Kirche erloschen. Das Ergebnis dieser Handlungen der damaligen Kirchenleitung kann man in Brasilien jetzt ernten. Die einst mächtige Katholische Kirche Brasiliens ist zu einer unbedeutenden Organisation geschrumpft, die von den USA finanziell und personell gepushten Freikirchen haben die Leerräume machtvoll gefüllt und einen menschenverachtenden Despoten zum Präsidenten gemacht.

Als Funktionärin der Katholischen Frauenbewegung musste ich ebenfalls erfahren, dass das ehrenamtliche Engagement von uns Frauen von ständigem Misstrauen der Kirchenleitung begleitet war. Die nur allzu berechtigten Forderungen nach Gleichberechtigung auf allen Ebenen wurden als Hirngespinste abgetan. Gleichzeitig wurden die finanziellen Mittel zur Unterstützung der Arbeit in den Pfarren ständig gekürzt. Der weltkirchliche Auftrag zur Entwicklungszusammenarbeit seitens der Organisationen der Katholischen Aktion übertrifft die staatlichen Leistungen und genießt breite gesellschaftliche Anerkennung.

Für die Kirchenleitung ist das allerdings ein Nebenschauplatz. Da fügt es sich ins Bild, dass das Afro-Asiatische Institut Wien, in dem die Katholische Frauenbewegung eine wichtige Rolle spielte, vor Jahren ebenfalls einem „Relaunch“ unterzogen wurde und dieses bedeutende interkultuelle Begegnungszentrum ein auf religiösen Austausch beschränkte Funktion erhielt und bald darauf ganz zugesperrt wurde. Eine Handlung, die angesichts des zunehmenden Migrationsgeschehens kurzsichtig, wenn nicht verantwortungslos war.

Die Wahl eines neuen Papstes ließ viele von uns, die wir vom Konzil und der Befreiungstheologie geprägt waren, wieder hoffen. Franziskus knüpft an die Zeit an, als die Kirche ihren christlichen Auftrag ernst nahm und eine gesellschaftsverändernde soziale Rolle gespielt hat. Er stellt die Kirche wieder in die Nachfolge Jesu und erteilt den weltabgewandten und damit die herrschenden Machtverhältnisse stabilisierenden Vertretern eines „Eventchristentums“ eine Absage.

Und wieder war es die ksoe die sich die Verbreitung der päpstlichen Sozialenzyklika zur Aufgabe gemacht hat. In breiten Gesellschaftsschichten wurde sie diskutiert und damit ausgeglichen, dass innerkirchlich und vor allem von den Pfarrern nicht sehr viel dazu gesagt und gemacht worden war. Damit stellte sich die ksoe ganz in den Dienst der Verbreitung der Botschaften des Papstes – Wieso dann ein „Relaunch“?

Natürlich geht es dabei um die Auseinandersetzung mit der christlichen Soziallehre und die Deutungshoheit darüber. Das ist ein ambivalentes Thema. Zu viele berufen sich darauf, wahren Vertreter dieser Lehre zu sein und da ist eine Auseinandersetzung wirklich dringend geboten. Als eine nun alte Frau, die von ihren Eltern noch viel über die Zwischenkriegszeit erfahren hat, kann ich der Kirchenleitung nur empfehlen, historisch redlich vorzugehen und auch die eigenen Verstrickungen kritisch zu reflektieren und Schuld einzugestehen. Man sollte nicht vergessen, dass der Antisemit Lueger ein christlichsozialer Politiker war. Ganz zu schweigen von der unheilvollen Zeit zwischen 1934 und 1938, als ein sogenanntes „christlichsoziales“ Regime eine von der Kirche getragene Diktatur installierte. Christlichsozial kann also vieles sein und man muss sehr genau hinschauen.

Die ksoe hat es geschafft, entsprechend ihres christlichen Auftrags, eine konsequente Haltung auf Seite der Benachteiligten in der Gesellschaft einzunehmen und von diesem Ort aus soziale Forschung und Bildungsarbeit zu gestalten, das passt vielen, die ein Menschenbild der Ungleichheit vertreten, und vor allem jenen, die in der Nachfolge der christlichsozialen Partei der Zwischenkriegszeit stehen, nicht. Ich fürchte, dass Sie als Bischöfe sich zu Handlangern dieser gesellschaftlichen Gruppierungen machen, denn ich sehe die Gefahr, mittels eines „Relaunchs“ die ksoe zu einem Instrument der herrschenden Klasse umzufunktionieren.

Um klarzustellen, ich bin für den Dialog der verschiedenen weltanschaulichen Richtungen, das ist für alle bereichernd, denn niemand hat die Wahrheit gepachtet. Es geht aber darum, dass es eine echte Dialogbereitschaft auf allen Seiten gibt und nicht die Mächtigen in der Gesellschaft ihre Sicht der Welt ungehindert durchsetzen können. Die ksoe hat den Machtlosen eine Stimme gegeben und das passt eben vielen Mächtigen nicht.

Es müsste Ihnen als Verantwortliche in der Kirche doch zu denken geben, wie viele engagierte Christinnen und Christen Ihre Handlungsweise bezüglich der ksoe nicht verstehen. Können Sie es so locker wegstecken, das gesellschaftspolitisch engagierte soziale Potential endgültig zu verlieren?

Ich werde weiterhin versuchen, als Christin zu leben und mich mit allen in der Katholischen Kirche verbünden, die für ein gutes Leben aller Menschen eintreten. Die ksoe ist für mich die Organisation, die am treuesten die Lehre des gegenwärtigen Papstes vertritt, dass gerade sie einer Umgestaltung unterzogen werden soll, macht mich in dieser Kirche aber heimatlos.

Es war mir ein Bedürfnis, nicht schweigend zuzusehen, wie wieder ein Stück meiner Kirchenheimat demontiert wird und ich hoffe, Sie haben Verständnis für meine Sorge um die Zukunft der Kirche, deren Rolle als „Sauerteig“ der Gesellschaft unverzichtbar für das gute Leben aller ist.

Mit freundlichen Grüßen

Traude Novy

In Sorge um die ksoe

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Stellungnahme besorgter Wissenschafter:innen und Initiativen zum geplanten „Relaunch“ der Katholischen Sozialakademie Österreichs (04.08.2020)

Die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksoe) wirkt seit über 60 Jahren als eine wichtige Institution des interdisziplinären und transdisziplinären Dialogs in Österreich. Aufgrund der Corona-Pandemie ist nun auch diese Institution vor große Herausforderungen gestellt: Durch die Pandemie brechen voraussichtlich Einnahmen weg, mit denen sich die ksoe zu zwei Dritteln selbst finanziert. Mit Sorge nehmen wir nicht nur den Beschluss der Österreichischen Bischofskonferenz zur Kenntnis, der einen „Relaunch“ der Katholischen Sozialakademie Österreichs plant, sondern auch die damit verbundene Kommunikation, die mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet.

Denn spricht der Umstand, dass die Zukunft der dort tätigen Mitarbeiter:innen zur Disposition gestellt wird, nicht deutlich – und allen Bekundungen zum Trotz – für eine in erster Linie inhaltlich, ja, politisch begründete Neuausrichtung der ksoe? Welche Neuausrichtung soll das sein, wenn sie im Grunde genau das bewirken soll, was die ksoe in über 60 Jahren sehr erfolgreich mit ihren Mitarbeiter:innen bereits unter Beweis gestellt hat? Nämlich, ein „Kompetenzzentrum” der Katholischen Soziallehre zu sein, „das die kirchliche Expertise in diesem Bereich zeitgemäß bündelt, vertieft und in einem ökumenisch offenen Dialog mit den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen umsetzt“. Als 2019 das Jubiläum der ksoe begangen wurde, würdigte sie unter anderem Bundespräsident Alexander van der Bellen für genau dieses Engagement. Wie passt dieses Lob dazu, dass die ksoe „inhaltlich und strukturell neu aufgestellt“ werden soll?

Als Wissenschafter:innen unterschiedlicher Disziplinen und als zivilgesellschaftliche Initiativen aus einer Vielfalt verschiedener Themenbereiche schätzen wir die Arbeit und Arbeitsweise der ksoe. Wir kennen die ksoe durch ihre Texte, ihre Lehrgänge, von Vorträgen, als Forschende im Rahmen des Schasching-Fellowships sowie durch verschiedene Kooperationen. Die ksoe ist für uns keine „Marke“, wie es in einer Erklärung der Österreichischen Bischofskonferenz heißt, sondern eine gemeinwohlfördernde Institution. Sie ist nicht nur eine wichtige unabhängige und kritische Stimme in der österreichischen Gesellschaft, die notwendige Debatten anregt und bereits viele unverzichtbare Impulse gegeben hat. Nein, sie bietet auch den Raum für einen interdisziplinären Dialog. Dabei steht die ernsthafte Auseinandersetzung mit Themen auf der Agenda, die im normalen Hochschulbetrieb, aber auch in der Arbeit zivilgesellschaftlicher Initiativen oft genug auf der Strecke bleiben: seien es die sozial-ökologische Transformation, solidarische Wirtschaftsformen, Zeitsouveränität, Grundeinkommen, Care oder Armut und Ungleichheit. Mehr noch: Die ksoe war immer schon ein Ort der Transdisziplinarität, deren Notwendigkeit nun zunehmend auch in weiteren Bereichen der Wissenschaft erkannt wird, und für die die ksoe eine Vorreiterin ist.

Deshalb blicken wir mit Sorge dem Vorhaben einer „Neuaufstellung“ der Katholischen Sozialakademie Österreichs entgegen. Wir befürchten nicht nur das Verstummen einer wichtigen Stimme in der österreichischen Gesellschaft, sondern ebenso, dass ein fruchtbarer Ort des inter- und transdisziplinären Dialogs versiegelt wird. Wir möchten die Verantwortlichen deshalb mit Nachdruck dazu aufrufen und ermutigen, mit dem beabsichtigten „Relaunch“ den bisherigen inhaltlichen und personellen Kurs der ksoe nicht nur zu stärken, sondern zu vertiefen und zu erweitern und in diesem Sinn für eine solide Finanzierung zu sorgen. Dies würde der ksoe zukünftig eine im subsidiären Sinne eigenständige und unabhängige Arbeit ermöglichen und ihr erlauben, die Erfolgsgeschichte der letzten sechs Jahrzehnte fortzusetzen.

Institutionen

Attac Österreich

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit, Bad Ischl.

FZA Verein für Kunst, Kultur und Wissenschaft

Gewerkschafter*innen gegen Atomenergie und Krieg

Initiative Zivilgesellschaft

MeM – Denkfabrik für Wirtschaftsethik, Berlin

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)

Runder Tisch Grundeinkommen

proSV – pro Sozialstaaat/proSozialversicherug / Österreichisches Solidaritätskomitee

proDemokratie – Plattform für Demokratie und Ausbau des Sozialstaates. Gegen Sozialstaat, Überwachungsstaat, Unterdrückung und Krieg.

Personen

Ernest Aigner, MSc, Projektmitarbeiter WU Wien, Wien.

Univ.Prof. DDr. Josef Christian Aigner, em. Prof. für Psychosoziale Arbeit und Psychoanalytische Pädagogik, Innsbruck.

Univ.-Ass. Dr. Tobias Boos, Institut für Politikwissenschaft, Fachbereich Internationale Politik, Universität Wien.

Dr. Marion Breiter, Psychotherapeutin und Sozialwissenschaftlerin, langjährige Lektorin der Universität Wien, Vorstandsmitglied im Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen.

Michael Deflorian, MA, Universitätsassistent an der Wirtschaftsuniversität Wien, Wien

Dr. Andreas Exner, Ökologe und Politikwissenschafter, Schasching-Fellow 2018/19

o.Univ.Prof.i.R.Dr.Dipl.Ing. Peter Karl Fleissner, Sozialkybernetiker, Wien

Mag. Stefan Grasgruber-Kerl, Vorstandsvorsitzender, Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)

Dr. Friederike Habermann, freie Wissenschaftlerin.

Dr. Friedrich Hinterberger, Senior Scientist, Universität für Angewandte Kunst Wien

Priv.-Doz. Dr. Thomas Höge, Wissenschaftlicher Mitarbeit am Institut für Psychologie der Universität Innsbruck, Innsbruck.

MMag. Christian Hofmann, Bildungsreferent (derzeit Bildungskarenz), Wien

Dr. Andrea Jany, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Architektin, Uni Graz/RCE.

Dr.in Elisabeth Klatzer, selbständige Wissenschafterin und Aktivistin, Ökonomin, Wien.

Magdalena Kraus, MA MA, Doktorandin (Internationale Entwicklung), Wien.

Dr. Wilfried Leisch, Berater, Publizist, Journalist, Vors. IG-Flex-Wien der GPA-djp, Wien.

Prof. Dr. Stephan Lessenich, Soziologe, Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München

ao. Univ. Prof. Dr. Andreas Novy, Wirtschaftsuniversität Wien

Prof. Dr. Walter Otto Ötsch, Professur für Ökonomie und Kulturgeschichte, Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung, Bernkastel-Kues.

Univ.-Prof. Wolfgang Palaver, Institut für Systematische Theologie, Universität Innsbruck.

Dr. Reinhard Felix Paulesich, Senior Scientist and Lecturer, Institute for Multilevel Governance and Development, WU Wien.

Dr. Christina Plank, Kulturwirtin und Politikwissenschafterin, Schasching-Fellow 2016/17

Dr. Leonhard Plank, Betriebswirt, Senior Scientist, Institut für Raumplanung, TU Wien.

Konrad Rehling, Geschäftsführer, Südwind.

Maria Reichl, Obfrau, Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit, Bad Ischl.

Matthias Reichl, friedens- und sozialpolitischer Aktivist, Radiomacher, Bad Ischl.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Remele, Leiter des Instituts für Ethik und Gesellschaftslehre, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Graz.

Prof. Dr. Severin Renoldner, Professor für Ethik, Moraltheologie und politische Bildung, Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz.

Ulrike Sambor, Solidaritätspakt (Mitglied) und Attac Inhaltsgruppe Grundeinkommen.

Klaus Sambor, Attac Inhaltsgruppe Grundeinkommen.

Univ.-Prof. Dr. Birgit Sauer, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien.

Jonathan Scalet, ehrenamtlicher Vorsitzender von Welthaus Wien, Sozialwissenschafter, Wien.

Prof. Dr. Tatjana Schnell, Associate Professor, Institut für Psychologie, Universität Innsbruck

Univ-Prof.i.R.Dr. Dieter Segert, Politikwissenschaftler, spezialisiert auf Osteuropastudien. Bis 2017 als Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.

Dr.in Barbara Smetschka, Sozialökologin und stv. Institutsleiterin, Institut für Soziale Ökologie (SEC), Universität für Bodenkultur Wien.

Emer. Univ.Prof Mag. Dr. Raimund Sobotka, Universität Wien.

Prof. Dr. Petra Steinmair-Pösel, Leiterin des Instituts für Religionspädagogische Bildung, Kirchliche Pädagogische Hochschule Edith Stein, Standort: Feldkirch.

Ao Univ.Prof. Dr. phil. Dr. h.c. Peter Stöger, Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung, Universität Innsbruck.

PD Dr. Ulrich Thielemann, Direktor der MeM – Denkfabrik für Wirtschaftsethik, Berlin.

Dr. Sebastian Thieme, Ökonom, Schasching-Fellow 2015/16

Dr. Christine Unterrainer, Universitätsassistentin, Arbeits- und Organisationspsychologin, Universität Innsbruck

Dr. Margareta Anna Vobruba, Psychologin und Psychotherapeutin, akademische Entwicklerin sozialer Verantwortung, Wien.

Priv.-Doz. Mag. Dr. Wolfgang Weber, MA, MAS, Akademischer Politischer Bildner, Gastprofessor FH Vorarlberg 2020/21

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang G. Weber, Institut für Psychologie, Fachbereich Angewandte Psychologie, Universität Innsbruck.

Josef Christian Aigner: Himmelschreiendes Unrecht.

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Corona und Österreichs Kirchenpolitik. Die kritische Analyse des Papstes berührt auch Konflikte in Österreichs Kirche.

In den Diskussionen über die Coronakrise wurden die sozialen und gesellschaftlichen Aspekte der Pandemie wie die drohenden Ungerechtigkeiten bei ihrer Bekämpfung kaum beachtet. Wieder einmal scheint es Papst Franziskus zu sein, der eine radikale kritische Analyse solcher Zusammenhänge vorlegt.

In einer Generalaudienz Ende August prangerte er die wachsende soziale Ungleichheit durch die Coronakrise an, die im Vergleich zum „kleinen“ Coronavirus ein „großes Virus“ sei. Die Pandemie habe viele Probleme erst wieder bewusst gemacht und „die sozialen Probleme und die Ungerechtigkeiten noch mehr verschärft“. Die angestrebte „Normalität“ dürfe nicht die alte sein, nämlich die einer „kranken“ Wirtschaft, die durch Maßlosigkeit und ungerechte Verteilung gekennzeichnet sei. Aus Krisen solle man lernen und nicht zum Zustand vor der Krise zurückkehren.  

Bei allem Verständnis für ein Wiederhochfahren der Wirtschaft müsste es dabei um eine Wirtschaft gehen, die wirklich „den Menschen“, besonders die Ärmsten auf der Welt, in den Mittelpunkt stellt. Dass wenige Reiche mehr besäßen als der Rest der Welt, führe auch zu ungleichen Behandlungschancen, was ein „himmelschreiendes Unrecht“ und eine „soziale Krankheit“ sei. Niemals dürften Impfstoffe ungerecht verteilt werden, forderte der Papst. Der „Homo sapiens“ sei zu einem berechnenden „Homo oeconomicus (…) im schlimmsten Sinn geworden“; dazu dürften Christen nicht schweigen.  

Oder sollten sie das doch? Besondere Brisanz erhält dieser aufrüttelnde Appell nämlich insofern, als er in Österreich (wie in anderen Ländern) einen Konflikt zwischen sozialkritischen katholischen Initiativen und konservativen politischen Kräften berührt. Letztere scheinen mit der kritischen sozialpolitischen Linie des Papstes wenig Freude zu haben. Dieser Konflikt könnte deshalb auch in der beabsichtigten „Neuaufstellung“ der Katholischen Sozialakademie Österreichs (Ksoe) durch die Österreichische Bischofskonferenz eine Rolle spielen.

Denn die Ksoe weiß sich in sozialen und wirtschaftspolitischen Fragen in großer Übereinstimmung mit Papst Franziskus. Soll diese Institution nun deshalb diszipliniert werden? Offiziell ist von „Neustrukturierung“ wegen finanzieller Probleme die Rede. Dahinter vermuten kritische BeobachterInnen aber eine von der türkisen ÖVP lancierte Intervention, die u. a. ausdrücklich eine „Zurückhaltung“ der Kirche bei sozialkritischen Aussagen des Papstes und in der Flüchtlingspolitik zum Gegenstand gehabt haben soll.  

ÖVP-Interventionen? Man weiß ja, dass zu den engsten Beratern von Kanzler Kurz der an einer erzkonservativen Opus Dei-Universität ausgebildete Bernhard Bonelli gehört, sodass eine politische Intervention durchaus vorstellbar ist. Andererseits könnte eine Institution wie die Ksoe, die zumindest implizit die Kritik der Inanspruchnahme des Labels „christlich-sozial“ durch die türkise ÖVP fördert, tatsächlich ein Ärgernis sein. Jedenfalls wäre es peinlich, wenn sich die Bischöfe gegen eine Institution wenden, deren Interpretation der Katholischen Soziallehre sich an Positionen des Papstes orientiert.

Der Theologe und Ksoe-Kuratoriums-Mitglied Severin Renoldner meinte deshalb, dass Franziskus empört wäre, würde er von diesem Disziplinierungsversuch wissen. Es bleibt abzuwarten, wie die Bischöfe auf die zahlreichen und namhaften Proteste aus dem kirchlichen Bereich reagieren. Gemessen an den Worten von Franziskus hat sich die Ksoe jedenfalls nichts zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil.“

Univ.-Prof. Dr. Josef Christian Aigner ist Bildungswissenschafter, Psychoanalytiker und ehem. Leiter des Instituts für Psychosoziale Intervention an der Universität Innsbruck.

Über eine demokratische Gestaltung des Wirtschaftslebens

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Andi Wahl (Freies Radio Freistadt) lud Heinz Mittermayr zu einem Gespräch über die Verantwortung von Christinnen und Christen für eine gerechtere Welt.

Heinz Mittermayr ist Abteilungsleiter der Katholischen Arbeiter_innenbewegung der Diözese Linz, Theologe und Aktivist der globalisierungskritischen Formation Attac. Mit Ihm führte Andi Wahl ein Gespräch über Verantwortung von Christinnen und Christen für eine diesseitige gerechte Welt, Befreiungstheologie, eine Wirtschaftsordnung die sich an menschlichen Bedürfnissen orientiert und Lehren aus der Covid-19-Krise. Mittermayrr fordert dabei die Politik auf, Rahmenbedingungen zu schaffen die sowohl den Menschen, als auch der Eindämmung der Klimakrise dienen.

Ebenfalls besprochen wurde ein kürzlich veröffentlichter Text, der die Position der KAB und weiterer christlicher Gruppen zum Themenfeld Verantwortung-Gerechtigkeit-Solidarität zusammenfasst.

Die Sendung (Dauer ca. 1 Stunde)  wurde bereits ausgestrahlt und kann HIER nachgehört werden.

Die Menschenrechte Geflüchteter wahren!

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Falls die Fluchtbewegungen in die EU wieder zunehmen, erwarte ich mir, dass wir unsere Verantwortung als großteils wohlhabende Staatengemeinschaft gemeinsam wahrnehmen (und befürchte das Gegenteil).

Leider hat die EU unter tatkräftiger Mitwirkung Österreichs den Zeitgewinn, den ihr das fragwürdige Abkommen mit der Türkei gegeben hat, grandios versemmelt. Man hätte die Gelegenheit nützen sollen, um eine Lösung zu erarbeiten, die die Menschenrechte Geflüchteter wahrt und die Staaten an der Peripherie nicht alleine lässt.

Dafür gäbe es gute Vorschläge, etwa von Gerald Knaus (zB schnelle Verfahren und durch wirtschaftliche Zusammenarbeit, Studentenvisa etc. „abgekaufte“ Rückführungsübereinkommen, damit Menschen ohne Chance auf Asyl sich nicht auf den Weg machen; Aufnahme von in den südlicheren Mitgliedsstaaten anerkannten Flüchtlingen in den nördlicheren Staaten; Resettlement; finanzielle Unterstützung für Regionen, die Flüchtlinge aufnehmen, um optimale Integrationsmöglichkeiten zu schaffen; alles das unter voller Wahrung der Menschenrechte).

Als Christ wünsche ich mir, dass das „christliche Erbe“ nicht nur dann hervorgezaubert wird, wenn Politiker mit Kreuzen an den Wänden öffentlicher Gebäude wahl-/kulturkämpfen wollen, sondern dass wir uns tatsächlich an der unbedingten Solidaritätsbotschaft des Evangeliums orientieren, so gut wir es können.

Axel Gotsmy

Mitbegründer von Habibi – Flüchtlingsprojekte der Pfarre Franz von Sales
https://www.facebook.com/HabibiProjekte/
https://www.habibi-projekte.at/

Kränk di net

Habibi zum Regierungsprogramm 2020

Warum ein pfarrliches Projekt sich politisch äußert – oder: Liebe Regierung, das könnt ihr besser! Da die Habibi-Flüchtlingsprojekte ein pfarrliches Projekt sind, enthalten wir uns parteipolitischer Äußerungen. Gerade weil wir ein pfarrliches Projekt sind, bringen wir uns in politische Diskussionen ein, wenn wir die Würde insbesondere sozial schwächerer Personen gefährdet sehen.

Etliche der im Regierungsprogramm rund um Asyl und Integration geplanten Maßnahmen gehen aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Raschere und qualitätvollere Verfahren, mehr Augenmerk auf unbegleitete Minderjährige und Frauen, Wertschätzung und Stärkung von ehrenamtlichem Engagement und das Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in einer offenen Aufnahmegesellschaft können die Lage Geflüchteter deutlich verbessern.

Andere Vorhaben im Programm der neuen Bundesregierung sehen wir vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen sehr kritisch. Zu diesen Punkten beziehen wir Stellung und wollen dadurch zur persönlichen Auseinandersetzung und zu Gesprächen anregen, wie dies bereits mit unserer Stellungnahme zum Regierungsprogramm 2017 gelungen ist.

Die ganze Analyse des Regiierungsprogramms gibt es hier …

Nach Geld- und Sachspendensammlungen 2015 wurde das Projekt „Habibi“ gegründet, um Wohnungen für Asylwerber/innen zu organisieren. Derzeit sind unsere Schwerpunkte Beratung & Begleitung, Bildung, Integration, materielle Unterstützung und anwaltschaftliche Öffentlichkeitsarbeit. Unser großes Netzwerk unterstützt Geflüchtete und deren Begleiter/innen, wo immer es nötig ist.
Wöchentlich bieten wir einen B1-Deutschkurs (Dienstag, 10:00-12:00), Kleiderausgabe (Dienstag, 8:00-10:00) und Sozialberatung (Dienstag, 8:00-9:30 und Donnerstag, 16:00-18:00) an.

Anfragen und Angebote: kontakt@habibi-projekte.at
Arabischsprachige Anfragen: azizi@habibi-projekte.at

Walter Rijs: Betteln ist Menschenrecht – auch in Wien!

Es ist Adventzeit. Wir Christen feiern den Hl. Nikolaus, der Arme beschenkt hat und wir denken an das aufdringliche Anklopfen von Josef und Maria bei der Herbergsuche. Da irritiert mich doppelt, wenn jetzt der Wiener Sozialstadtrat gegen bettelnde Menschen vorgehen möchte!

Gerade in diesem Jahr habe ich bisher in der Stadt das Gefühl gehabt, dass es ein problemloses Miteinander von Wienerinnen und Wienern und „ihren“ Bettlern gibt. Es ist bedauerlich, dass SP-Stadtrat Hacker dies anders sieht. Besonders perfid ist, dass am 10. Dezember die Stadt Wien 5 Jahre „Wien – Stadt der Menschenrechte“ groß feiert und gleichzeitig BettlerInnen kriminalisiert, vertrieben und abgeschoben werden sollen. Auch wenn es im täglichen politischen Kampf immer wieder vergessen wird: Betteln ist ein Menschenrecht. Und es muss allen Menschen – unabhängig ihrer Herkunft – erlaubt sein, um eine milde Gabe zu bitten.

Die Aussagen sind bedauerlicherweise noch eine Steigerung zur Sozialkürzungspolitik der ehemaligen türkis-blauen Regierung. Denn hier geht es nicht um Menschen, die irgendeinen Anspruch auf soziale Unterstützung in Wien haben, hier geht es um Menschen, die sonst nichts haben. Vor einem Jahr wurde in Ungarn Obdachlosigkeit per Strafe verboten, die Aussagen in Wien machen mir Sorge, dass man sich hier auch dieser Politik langsam nähert.

Dass aufgrund der politischen Hetze in Ungarn, BettlerInnen vermehrt nach Österreich kommen, ist leider eine traurige Tatsache. Diese darf aber nicht mit Abschiebungsdrohungen, die diese Menschen in Ungarn ins Gefängnis bringt, erwidert werden. Es kann nicht sein, dass die reiche „Central European University“ aus Ungarn nach Wien gerettet wird und gleichzeitig der Innenminister aufgefordert wird, arme Menschen nach Ungarn (und in andere EU-Länder) abzuschieben.

Ganz im Sinne von Papst Franziskus fordert die Katholische Aktion, dass nicht Arme, sondern die Armut bekämpft werden muss. „Ohne Solidarität ist unser Glaube tot“, sagt Papst Franziskus.

Ich appelliere an die Christinnen und Christen in Wien, sich nicht von zeitgeistigen Schönheitsidealen des Stadtbildes irritieren zu lassen. Für uns sind BettlerInnen nicht störende Fehler im Stadtbild, sondern Menschen, die etwas von uns brauchen und Armut sichtbar machen. Wir sind daher aufgefordert, sie zu unterstützen. Wegschauen und Schimpfen sind keine für ChristInnen akzeptablen Handlungen. Es liegt nicht nur an der Stadtregierung, sondern auch an uns, dass wir diese Stadt menschlich und christlich prägen.

Walter Rijs ist Präsident der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien. Dieser Kommentar ist auch als Presseaussendung der KA Wien veröffentlicht worden.

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