Redaktion

Soziale Gerechtigkeit ins Zentrum der Gesellschaft rücken

Diskussionsabend zur Initiative „Christlich geht anders“ im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen im „Quo Vadis“ in Wien – P. Helm für breiten Diskurs über Inhalte christlicher Politik
Wien, 10.06.2017 (KAP) Politik, „die den Namen christlich wirklich verdient“, stand bei der Langen Nacht der Kirchen im Mittelpunkt einer Veranstaltung im Ordenszentrum „Quo Vadis“. Zum Thema „Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“ diskutierten am Freitagabend Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister, P. Franz Helm, Generalsekretär der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs und Vera Hofbauer, ehemalige ehrenamtliche Vorsitzender der Katholischen Jugend (KJ). Ziel der dahinterstehenden Initiative „Christlich geht anders“ ist es, soziale Gerechtigkeit ins Zentrum der gesellschaftspolitischen Debatten zu rücken.

„Unser Traum ist es, dass Menschen mit dem den sechs Grundpositionen der Initiative in der Hand miteinander ins Gespräch kommen und sich darüber austauschen, wie eine christliche Politik wirklich ausschaut“, so Helm. Politische Bewusstseinsbildung sollte dort anfangen, „wo wir zu Hause sind, in unseren Familien, Pfarrgemeinden oder in der Nachbarschaft“. Helm kritisierte jene politischen Strömungen, „die als die großen Verteidiger des christlichen Abendlandes auftreten, dann aber aushöhlen, was wirklich christlich ist, in dem sie unsolidarisch auftreten, Menschen gegeneinander ausspielen und Feindbilder schaffen, nur um politisch davon zu profitieren“. Es gehe um eine Politik, „die den Namen christlich wirklich verdient“.

Kritik kam am im „Quo vadis“ auch an der von der oberösterreichischen Landesregierung beschlossenen Deckelung der Mindestsicherung. Notleidenden auch noch vom Existenzminimum etwas zu streichen, hielt der Wirtschaftsforscher Schulmeister für „einen Witz“. Ein „linkes Programm“ sei die Initiative nicht, sondern eine „Art Defensivfront quer zu allen traditionellen Lager, die in unserem Fall nicht nur aber sehr stark von christlicher Motivation getragen ist“. Der gemeinsame Nenner aller Beteiligten sei das Bekenntnis zum Sozialstaat, „der in den letzten Jahren immer mehr ausgehöhlt wird“.

Von der Initiative erwarte er sich „sehr viel“, denn anders als bei einem Volksbegehren steuere diese nicht auf einen Höhepunkt zu und flache dann wieder ab, sondern könne langsam aber kontinuierlich weiterwachsen. Es gehe nicht darum, „seitenlange Ergüsse zu verfassen“, sondern sich im Namen der Initiative immer wieder kurz und prägnant zu aktuellen politischen Themen zu Wort zu melden. Eine Gesellschaft, in der jeder nur nach seinem eigenen Vorteil trachte, sei keine denkbare Alternative, so Schulmeister, der die aktuell vorherrschenden Wirtschaftstheorien kritisierte, zumal die propagierte Marktfreiheit in Kombination mit „knallhartem Egoismus“ nicht aus der Krise führen könne. Im Blick auf Initiativen wie „Christlich geht anders“ zeigte sich Schulmeister überzeugt, „dass 70 bis 80 Prozent der Österreicher hinter den Kernforderungen stehen, würde man sie nur direkt fragen“.

Ein klares Bekenntnis legte der Ökonom auch zu einer Vermögenssteuer ab. Nettovermögen ab rund 100.000 Euro sollten mit 0,5 Prozent besteuert werden, „das tut den Reichen nicht weh“. Fakt sei, dass es immer wieder Vermögende gäbe, die freiwillig spenden, „aber wir brauchen hier einen Hebel, der gesetzlich greift“, denn, „wenn das nicht politisch erzwungen wird, wird es immer viele geben, die es einfach nicht tun“.

Den Ansporn der Katholischen Jugend sich an der Initiative zu beteiligten, legte Vera Hofbauer dar. „Wir wollen Jugendliche für globale Zusammenhänge und gesellschaftliche Vorgänge sensibilisieren und sie zu sozialem, politischem Engagement ermutigen.“ Das Bibelwort „Ihr seid das Salz der Erde“ sei zugleich Auftrag, der „mit Leben gefüllt werden muss“. Als Rückendeckung dafür verstehe die KJ die Aussagen von Papst Franziskus beim letzjährigen Weltjugendtag in Krakau, der die Jugendlichen dazu aufrief, hinauszugehen und die Welt zu gestalten.

Ökumenische Initiative

Den Grundtext zur Initiative haben bereits im Herbst des Vorjahrs rund 100 Erstunterzeichner unterschrieben, darunter u.a. ÖRKÖ-Vorsitzender Landessuperintendent Thomas Hennefeld, der serbische Bischof Andrej Cilerdzic, die Präsidentin der Katholischen Aktion, Gerda Schaffelhofer, zahlreiche Professorinnen und Professoren der Theologischen Fakultäten oder auch die Spitzenvertreter der heimischen Ordensgemeinschaften, Abtpräses Christian Haidinger und Sr. Beatrix Mayrhofer.

Der Inhalt des Grundtextes ist wesentlich vom Ökumenischen Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) aus dem Jahr 2003 inspiriert, aber auch vom Projekt „Solidarische Gemeinde“, in dem die Ergebnisse des Prozesses „sozialwort 10+“ im Jahr 2013 zusammengefasst wurden. Koordiniert wird die Initiative von der Katholischen Sozialakademie (ksoe).

(Infos: „www.christlichgehtanders.at)

Christian Leonfellner: Christlich geht anders, weil …

Christlich zu sein heißt, sich einzumischen, wenn Menschen unter Druck geraten, wenn ein würdiges, selbstbestimmtes Leben nicht möglich ist.

Die Leistungen unseres Sozialstaates ermöglichen allen, schwierige Zeiten zu durchtauchen und verhindern ein unwiderrufliches Unter-die-Räder-kommen. Diesen solidarischen Gedanken eines guten Miteinanders sehe ich aktuell immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Die politische Entscheidung, die Mindestsicherung zu kürzen oder die Einsparungen im Bereich für Menschen mit Behinderung in Oberösterreich sind für mich Schritte in eine Richtung, die den sozialen Frieden gefährden. Durch den anstehenden Wahlkampf kommen aus taktischen Gründen möglicherweise noch weitere „Grauslichkeiten“ auf uns zu.

Ich stehe zu einem Christsein im Sinne von Papst Franziskus, der in seiner Enzyklika EVANGELII GAUDIUM vielfach auf das Problem der Armut und der ungerechten Verteilung der Güter eingeht und ein Umdenken fordert.

Christian Leonfellner, Vorsitzender der KAB OÖ

Martin Schenk: Der autoritäre Pfad

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Der autoritäre Pfad ist ein Lernprogramm aus Ungarn, Polen und auch anderswo. Der erste Schritt besteht darin gegen Minderheiten zu mobilisieren. Das können Flüchtlinge sein, oder Roma, jedenfalls Gruppen, die sich gut eignen zu den „Anderen“ gemacht zu werden. „Othering“ nennt diesen Vorgang die Forschung. Das Böse kommt von außen, das ist die Grundfigur. Im Schritt Zwei werden Armutsbetroffene schikaniert. Obdachlose in  Budapest, Mindestsicherung hier, Arbeitslose dort. Für diejenigen ganz unten auf der sozialen Leiter werden soziale Grundrechte außer Kraft gesetzt oder bewusst umgangen. Schritt Drei auf dem autoritären Pfad heißt Demonstrationsrecht einschränken und Höchstgerichte aushebeln. Das kennen wir aus Polen, aber auch aus Spanien nach den Protesten gegen Sozialeinschnitte in Folge der Finanzkrise. Der nächste Schritt Nummer Vier nimmt die NGOs und Zivilgesellschaft ins Visier und versucht sie zu denunzieren und zu schwächen. Das ist ein durchgehendes Muster aus Polen, Ungarn, Russland oder der Türkei. Im fünften Schritt werden dann kritische Journalist_innen unter Druck gesetzt.

Der autoritäre Pfad ist ein Lernprogramm aus Ungarn, Polen und anderswo. Auch hierzulande haben sich schon einige auf den Weg gemacht. Wir bekämpfen nicht die Armut sondern die Armen. Wir bekämpfen nicht die Obdachlosigkeit, sondern die Obdachlosen. Wir bekämpfen nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen. Wir bekämpfen nicht das Ertrinken, sondern die Lebensretter. Wir bekämpfen nicht die Missstände, sondern die Zivilgesellschaft, die sie aufdeckt. Wir bekämpfen nicht autoritäre Tendenzen, sondern die Grundrechte.

Wer den autoritären Pfad betritt, trampelt pluralistische Wahrnehmung zur Seite, versucht sich unserer Sinne zu bemächtigen und alles als „normal“ darzustellen. „Jeder Schritt war so winzig, so belanglos, so plausibel gerechtfertigt oder gelegentlich auch ›bereut‹, dass auf täglicher Basis niemand verstand, was das Ganze im Prinzip bedeuten sollte, und wohin all diese ›winzigen Maßnahmen‹ eines Tages führen würden. Auf täglicher Basis verstand es keiner, genau so wenig wie ein Bauer in seinem Feld sein Getreide von einem Tag auf den nächsten wachsen sieht. Jede Handlung ist aber schlimmer als die letzte, doch nur ein wenig schlimmer. Du wartest auf das ganz große schockierende Ereignis und denkst, dass die Anderen dich bei deinem Widerstand irgendwie unterstützen werden, wenn solch ein Schock kommt.“ Das schrieb Milton Mayer in seiner Studie über Erfahrungen von Leuten der 1930er Jahre in Deutschland. Und weiter: „Die äußerlichen Formen sind alle vorhanden, alle unberührt, alle beruhigend: die Häuser, die Geschäfte, die Mahlzeiten, die Besuche, die Konzerte, das Kino, die Ferien. Aber der Geist, den du niemals bemerkt hast, weil du ein Leben lang den Fehler gemacht hast, dich mit den äußerlichen Formen zu identifizieren, hat sich verändert. Nun lebst du in einer Welt bestehend aus Hass und Furcht, und die Leute, die hassen und fürchten, wissen nicht einmal selbst, dass, wenn jeder transformiert ist, keiner transformiert ist. Du hast Dinge akzeptiert, die du vor fünf Jahren nicht akzeptiert hättest; oder vor einem Jahr.“

Martin Schenk-Mair, Diakonie Österreich
Stv. Direktor, Grundlagenreferat – Sozialpolitik

Dieser Artikel erschien in der Strassenzeitung „Augustin“

Christoph Konrath: Christlich geht anders, weil …

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„Nächstenliebe“ sei keine taugliche Grundlage für Politik höre ich oft von Menschen, die sich für eine „christlich“ geprägte Politik und Gesellschaft aussprechen. Ich stimme Ihnen durchaus zu, denn „Nächstenliebe“ und ein Verlassen auf individuelle Wohlmeinung reichen für politisches Handeln und staatliche Organisation nicht aus. Ebenso wenig reicht es aber, „christlich“ auf ein kulturelles Bekenntnis zu reduzieren.

Christlich geht anders. Es weiß um die zentrale Bedeutung, die das Scheitern und der Neuanfang in der Bibel haben. Das Scheitern politischer Ambitionen und Programme, ebenso wie das Scheitern an Macht und Eitelkeit.

Christlich geht anders. Es weiß um Gottes Fürsorge und Gerechtigkeit, und es weiß, diese auch heute zum Maßstab unseres Zusammenlebens und Wirtschaftens zu machen.

Christlich geht anders. Es weiß um die Bedeutung von Freiheit und Recht. Es erinnert sich, dass Gott den Menschen zur Freiheit gerufen hat, und dass Gott seinem Volk die Thora gegeben hat, da der Mensch nicht vom Wohlwollen anderer abhängen soll, sondern Rechte hat.

Christlich geht anders. Es weiß um Offenheit und Vielfalt, die uns Menschen und die Schöpfung ausmachen, die wir aushalten müssen, und die Zukunft möglich macht.

Christoph Konrath
Jurist und Politikwissenschaftler in der Parlamentsdirektion
www.unsereverfassung.at

Stephan Schulmeister: Wir sind aufeinander angewiesen

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Stephan Schulmeister plädiert für einen starken Sozialstaat als institutionalisierte Solidarität

Ich unterstütze diese Bewegung, weil die große Mehrheit der Menschen in Österreich nicht glaubt, dass wir alle nur Individuen sind, die nach ihrem persönlichen Vorteil streben durch Konkurrenz mit den anderen. Sie wissen: Wir sind aufeinander angewiesen und es geht uns gut, wenn es auch anderen gut geht. Die meisten ÖsterreicherInnen wollen einen starken Sozialstaat als institutionalisierte Solidarität, weil sie wissen, dass sie selbst und die meisten anderen Menschen ihn brauchen.
Doch die Eliten predigen seit Jahren, dass nur stärkere Konkurrenzfähigkeit und individueller Leistungswille uns aus der Krise führen können. Deshalb dürfe man den Armen höchstens das Existenzminimum gewähren, sonst machen die es sich in der „sozialen Hängematte“ bequem. Im Namen der Eigenverantwortung soll der Sozialstaat weiter verschlankt werden. Doch die allermeisten Arbeitslosen und prekär Beschäftigten wollen etwas leisten, es gibt aber viel zu wenig „normale“ Arbeitsplätze.
Christliche Grundwerte überwinden Gegensatz von Egoismus und Moral

Christliche Grundwerte haben die europäische Kultur geprägt. Sie überwinden die Gegensätze zwischen Egoismus und Moral, zwischen individuellem Glücksstreben und sozialem Zusammenhalt, zwischen dem Menschen als Einzelnem und als soziales Wesen durch die Einheit von Selbstliebe, Nächstenliebe und Gottesliebe. Insofern sind die europäischen Grundwerte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit/Geschwisterlichkeit“ ebenso in der christlichen Tradition Europas verwurzelt wie die Ideale der ArbeiterInnenbewegung.
Individuelle Freiheit UND sozialer Zusammenhalt

„Christlich geht anders“ wendet sich an alle Menschen, denen die Verbindung von individueller Freiheit und sozialem Zusammenhalt, von Eigennutz und Solidarität, ein Anliegen ist, und die diese christlich-europäischen Grundwerte bedroht sehen – und zwar sowohl von den „ent-sozialdemokratisierten“ und „ent-christlichten“ Traditionsparteien als auch von den nationalistisch-sozialen Populisten, die Menschengruppen gegeneinander ausspielen und im Christentum eine europäische „Abwehrideologie“ gegen Fremde aller Art sehen.
Warum soll ich unterschreiben?

Daher mögen alle, denen die christlich-europäischen Grundwerte wichtig sind, diese Bewegung unterstützen, egal, ob sie religiös sind oder nicht, ob sie bei einer Kirche sind oder nicht. Es geht darum, ein breite „Abwehrfront“ wachsen zu lassen, quer über traditionelle Ideologien oder politische Lager. Die Mobilisierung Gleichgesinnter ist das Ziel, nicht eine bestimmte Zahl von Unterstützungserklärungen. Aber wenn es mehr als 1 Million sind und ihre Zahl wächst und wächst, dann werden die Eliten hinhören auf die Stimmen der nicht mehr schweigenden Mehrheit. Solidarität bedeutet ja nicht Selbstlosigkeit üben, sondern soziales Eigeninteresse verfolgen.

Stephan Schulmeister, Wirtschaftsforscher

stephan.schulmeister@wifo.ac.at

http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/

9.6.17 „Christlich geht anders“ in der Langen Nacht der Kirchen

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„Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“
Ort: Quo vadis, 1010 Wien, Stephansplatz 6
Zeit: 9. 6. 2017 21-22 Uhr

Gespräch: Stephan Schulmeister, Wirtschaftsforscher; Vera Hofbauer, Vorsitzende der Katholischen Jugend Österreich; P. Franz Helm SVD, Ordensgemeinschaften; Sr. Karin Weiler CS, Caritas Socialis

Interaktive Auseinandersetzung mit den Grundanliegen von „Christlich geht anders“
Veranstalter: Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis mit Katholische Sozialakademie Österreichs (ksoe) als Koordinatorin der Kampagne „Christlich geht anders“

Georg Plank: Christlich geht anders, weil …

Ein menschenwürdiges Leben und eine schöpfungsgerechte Zukunft für alle sind möglich. Alles dazu Notwendige hat Gott bereits geschenkt. Alle Menschen guten Willens sollten dieses Potential nutzen – gemeinsam, uneigennützig, liebevoll, klug und kühn – egal aus welcher persönlichen Motivation und Glaubenshaltung. Ich bin überzeugt, dass die Kreativität, die Talente und die Ressourcen in ausreichender Fülle vorhanden sind, um sich auf individueller und politischer Ebene wirkungsvoll und hingebungsvoll für diese Vision zu engagieren.

Georg Plank

www.pastoralinnovation.org

Veronika Pernsteiner: 12-Stunden-Tag: Rückschritt auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter

„Desaster“ für Alleinerziehende: Katholische Frauenbewegung und Plattform für Alleinerziehende zum „Tag der Arbeit“

[Wien, 27.4.2017, PA] Gegen eine generelle Ausweitung der zulässigen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag treten die Katholische Frauenbewegung Österreichs und die Österreichische Plattform für Alleinerziehende anlässlich des „Tags der Arbeitslosen“ am 30. April und des „Tags der Arbeit“ am 1. Mai auf: „Eine Arbeitszeitflexibilisierung im Sinne eines 12-Stunden-Tags bedeutet einen Rückschritt auf dem Weg zur Gleichstellung von Mann und Frau, weil sie die bestehende Rolle von Frauen als Zuverdienerinnen verfestigt und ihre Chancen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt verringert“, so Veronika Pernsteiner, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs. Von einem „Desaster“ für Alleinerziehende, weit überwiegend Frauen, warnt die Vorsitzende der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende, Gabriele Fischer: „Es fehlen die notwendigen Kinderbetreuungseinrichtungen, die zudem für alle leistbar sein müssen, die Attraktivität von Alleinerziehenden am Arbeitsmarkt  würde  weiter sinken, Erholung würde es noch weniger geben.“ Katholische Frauenbewegung und Plattform für Alleinerziehende fordern demgegenüber Maßnahmen, die eine partnerschaftliche Teilung von Erwerbs- und Sorgearbeit fördern, eine generelle Arbeitszeitverkürzung sowie ausreichend bezahlbare Kinderbetreuungseinrichtungen. Die österreichische Regierung hat den Sozialpartnern bis Ende Juni eine Frist gesetzt, um in der Frage um die Ausdehnung der zulässigen Tagesarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden und der flexibleren Gestaltung von Arbeitszeit zu Lösungen zu kommen.

Bereits jetzt ist es nach Angaben der Arbeiterkammer Wien so, dass 75 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren Teilzeitjobs machen, während rund die Hälfte der Väter von Kindern bis 12 Jahren regelmäßig Überstunden leisten: „Wenn Frauen nach wie vor hauptsächlich die private Sorgearbeit über haben, wird es für sie bei längeren Tagesarbeitszeiten noch schwerer, sich am Arbeitsmarkt zu behaupten, insbesondere angesichts des Mangels an Ganztagsschulen und ausreichend langen Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen,“  so Veronika Pernsteiner. Für Alleinerziehende ergebe sich ein gänzlich katastrophales Szenario, erklärt Gabriele Fischer: „Was wir brauchen, ist keine Flexibilisierung für UnternehmerInnen, sondern eine Flexibilisierung im Sinne der ArbeitnehmerInnen“.

Tatsächlich gewährt das bestehende Arbeitsrecht bereits jetzt eine Vielzahl von Möglichkeiten, Arbeitszeit flexibel zu gestalten, etwa via Gleitzeit, Schicht- und Durchrechnungsmodellen oder die 4-Tages-Woche: „Inwieweit schöpft die Wirtschaft diese Möglichkeiten aus?“, fragen Fischer und Pernsteiner, „und inwieweit geht es darum, der Entlohnung von Überstunden zu entkommen?“. Nach Angaben der Arbeiterkammer Wien wird die überwiegende Zahl der derzeit in Österreich geleisteten Überstunden innerhalb des gesetzlichen Rahmens erbracht, bei einer Erhöhung des Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag drohten Überstundenzuschläge im Ausmaß von 1,5 Milliarden Euro zu entfallen.

„Wir wollen, dass dem Wunsch von jungen Vätern nach Arbeitszeitreduzierung nachgekommen wird“, fordert kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner im Blick auf Daten aus dem Familienministerium, wonach sieben von zehn Väter zwischen 18 und 29 Jahren sich für eine Arbeitszeitreduzierung zugunsten der Familie interessieren und knapp die Hälfte die Arbeitszeit gerne um 20 Prozent verringern würde. „Eine Arbeitszeitverkürzung bei entsprechendem Lohnausgleich wäre ein Schritt in Richtung einer partnerschaftlichen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit und auch für Alleinerziehende ein entlastender Rahmen“, so Gabriele Fischer von der Plattform für Alleinererziehende. Gleichzeitig gelte es, die gesellschaftliche Organisation und Sicherstellung von Sorgearbeit, von Betreuung, Pflege und Bildung voranzutreiben.

„Dass bei einem 12-Stunden-Tag die Erholung, insbesondere von Eltern und noch mehr von Alleinerziehenden,  auf der Strecke bleibt, ist vorauszusehen“, erklären Pernsteiner und Fischer. „Blockzeiten“ von Arbeit und Freizeit, wie sie von der Wirtschaft als attraktive Angebote dargestellt würden, kämen allenfalls Singles und kinderlosen Paaren entgegen, seien Studien zufolge aber generell nicht zu empfehlen: „Wir wissen, dass ab der 9. Arbeitsstunde die Zahl der Unfälle steigt und auch das Risiko eines Burnouts wächst.“ Was es brauche, sei „gute Arbeit“, die Leben und Erwerbsarbeit in einer guten Balance halte. Das beantworte auch den Wunsch von Eltern, täglich Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können, mit ihnen zusammenzuleben.

www.kfboe.at

 

Klaus Heidegger: Stolz auf die „verbeulte“ Kirche

Zum Himmelfahrtstag können wir feststellen: Eine himmlische Welt hier unten ist möglich.

Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.“ Es ist der bekannteste Satz aus dem „Wintermärchen“ von Heinrich Heine. 200 Jahre später hat sein Bonmot nichts an Aussagekraft eingebüßt. Auch am heutigen Himmelfahrtstag soll dieses „neue“, dieses „bessere Lied“ gesungen werden. Es ist wirklichkeitszugewandt und lustorientiert; es will den Himmel auf Erden und fordert zum Handeln für soziale Gerechtigkeit und Gleichheit auf. Es geht vom Wissen aus, dass „hienieden Brot genug für alle Menschenkinder“ wächst – „auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust und Zuckererbsen nicht minder“.

Heute würden wir sagen: Die Welt böte genügend Lebensmittel für alle – wenn sie nur gerecht verteilt wären. Heute würden wir sagen: ein gutes Leben für alle, das mit den einlullenden „Eiapopeias“ der Konsum- und Werbeindustrie und den populistischen Heilsversprechern nichts gemein hat. Anders als in der Zeit, als Heine sein „Wintermärchen“ dichtete, haben sich freilich die Kirchen positioniert. Sie haben den Mut, das „irdische Jammertal“ in den Blick zu nehmen, die Flüchtlingsmisere beim Namen zu nennen, die drohenden Umweltkatastrophen nicht zu verdrängen. Einen „Pfaffensegen“ – von dem Heine kritisch schreibt – gibt es heute nicht mehr für postfaktische Vertröstungen, sondern einen kirchlichen Segen für Flüchtlings- und Sozialinitiativen, für Klimaschutzmaßnahmen und Friedensbemühungen.

Lange vor Heine hat der Autor der Apostelgeschichte mit der Himmelfahrtslegende die jesuanische Grundbotschaft als Vermächtnis festgeschrieben. „Schaut nicht hinauf …“, gibt Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern als letzte Worte mit auf den Weg, bevor er ihren Blicken entschwindet. Schaut euch in die Augen, ganz tief, um die Freude oder den Schmerz der anderen erfahren zu können. Schaut auf jene, von denen Bert Brecht in der „Dreigroschenoper“ schreibt, „die im Dunkeln sieht man nicht“. Der österliche Blick sieht sie sehr wohl: die gut integrierten Flüchtlinge, die auch aus unserem Land in kriegführende Länder wie Afghanistan oder den Irak abgeschoben werden; die Wohlstandsverlierer, deren Sozialleistungen gekürzt werden – anstatt dort zu nehmen, wo Reichtümer angehäuft werden. Heinrich Heine, Bert Brecht und Jesus von Nazareth, sie eint das Bemühen um ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens.

Dafür hat Jesus gekämpft, dafür ist er gestorben. Nicht weniger erwartet er von seinen Kirchen heute. Daher beten wir noch vor jeder Erwähnung des Himmels: „Dein Reich komme!“ Papst Franziskus hat keine Angst vor einer Kirche, die „verbeult“ ist, weil sie auf die Straßen dieser Welt hinausgegangen ist. Der Himmelfahrtstag bewahrt uns vor einer Genickstarre und lässt uns lustvoll und mit Freude, engagiert und mit Wut im Bauch auf diese Welt blicken. Die ökumenische Initiative „Christlich geht anders!“ bringt diese Botschaft auf den Punkt. Eine andere Welt ist möglich, eine himmlische Welt, hier unten.

Klaus Heidegger ist Religionslehrer am privaten Gymnasium in Volders und Vorsitzender der Katholischen Aktion der Diözese Innsbruck

Dieser Artikel erschien am 25.5.2017 in der Tiroler Tageszeitung.

klausheidegger.blogspot.com/

Antonia Indrak-Rabl: Christlich geht anders, weil …

Familien sind in steigendem Ausmaß von Belastungen betroffen: fehlende Wertanpassungen bei finanziellen Leistungen, mangelnde Berücksichtigung von Familienarbeit in Steuerrecht und Sozialversicherung oder fehlende Wahlmöglichkeiten bei der Kinderbetreuung sind nur einige dieser Punkte.

Der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien setzt sich für eine faire Familienpolitik ein, die Eltern Zeit und Raum für ihre Kinder gibt. Ausreichende finanzielle Ressourcen sowie Wahlmöglichkeiten in der Erziehung und der Betreuung sind wichtige Forderungen unserer Arbeit im Sinne der Familien.

Antonia Indrak-Rabl,
Geschäftsführerin des Katholischen Familienverbands Wien