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Christlich geht anders! Solidarische Antworten auf die soziale Frage. Grundsatztext vom 18. November 2016.

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Als ChristInnen und als VertreterInnen katholischer, evangelischer und orthodoxer Organisationen haben wir uns entschlossen, zur gesellschaftlichen Lage Stellung zu beziehen, insbesondere zu Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung, Armut und zur Not geflüchteter Menschen. Diese Probleme sind Resultat eines Prozesses, der von der Vorstellung geleitet wird, eine „unsichtbare Hand des Markts“ würde die individuellen Egoismen ins allgemeine Beste verwandeln. Diese Vorstellung widerspricht der Grundbotschaft des Christentums: Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe bedingen einander, bilden ein Ganzes und ermöglichen soziale Gerechtigkeit und Frieden.

Polarisierung durch wachsende Ungleichheit
Die Dominanz des individuellen Gewinnstrebens zu Lasten gelebter Solidarität erzeugt – auch in Österreich – steigenden Reichtum einer kleinen Oberschicht und zunehmende Armut von immer mehr Menschen. Sie fühlen sich um ihre Chancen und die ihrer Kinder gebracht. Unsicherheit, Verbitterung, Hoffnungslosigkeit und Angst breiten sich aus. Parteien und Bewegungen des (extrem) rechten Spektrums sprechen diese Gefühle an und richten sie gegen „Sündenböcke“ wie „die“ Flüchtlinge, „die“ Muslime oder „die“ Fremden. Auch innerhalb der Traditionsparteien werden jene Kräfte stärker, welche Zuflucht in der Anpassung an den rechten Populismus suchen.

Solidarität mit den Schwachen
„Volksnahe“ Politik pervertiert Werte wie Nächstenliebe (sie gelte nur „den Nächsten“) und Solidarität („Wer nur 1200 € verdient, wird nicht verstehen, dass ein noch Ärmerer 900 € Mindestsicherung bekommt“). Gleichzeitig reklamiert sie das „abendländische Christentum“ für sich. Tatsächlich bilden Nächstenliebe und Solidarität den Kern des gelebten Glaubens. Nach christlichem Verständnis ist es der Sozialstaat als „organisierter Solidarität“, welcher die Grundbedürfnisse der Menschen zu sichern und so den sozialen Frieden zu erhalten hat.

Selbst wenn eine große Mehrheit und auch die Volksvertretung dafür wäre, die Mindestsicherung unter das Existenzminimum zu kürzen, so widerspricht es doch der christlichen Grundbotschaft: „Was ihr den geringsten meiner Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan“, sagt Jesus von Nazareth. Gottes- und Nächstenliebe zeigen sich vorrangig an der Haltung gegenüber den Schwächsten einer Gesellschaft, noch mehr an gerechten Strukturen. Heute sind die „Geringsten“ u.a. AlleinerzieherInnen, MindestpensionistInnen, Langzeitarbeitslose und Menschen, die aus größter Not zu uns geflüchtet sind. Wer die Armen bekämpft, bekämpft das Christentum.

Konkret fordert das „Sozialwort“ der christlichen Kirchen in Österreich „Maßnahmen einer Mindestsicherung“, um „ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen.“ Heute ist die reale Wirtschaftsleistung Österreichs um fast 25% höher als zur Zeit des Sozialwort-Prozesses (2013), doch nun soll die Mindestsicherung für die Ärmsten unter das Existenzminimum gesenkt werden.

Verteidigung des Sozialstaats – nötiger denn je
Schon 2003 formulierte das „Sozialwort“: „Der Sozialstaat ist Voraussetzung dafür, dass die Werte von Individualität und Freiheit nicht nur das Privileg der Einkommensstarken und Vermögenden sind, sondern allen Menschen zukommen“ (Sozialwort 2003, Nr. 213).
Die Angriffe gegen den Sozialstaat und damit gegen jene Menschen, die ihn brauchen, gehen weiter. Denn nach herrschender Ideologie soll die ökonomische und soziale Entwicklung durch Marktkonkurrenz gesteuert werden. Für einen starken Sozialstaat ist in dieser Weltanschauung kein Platz.

Die christliche Sicht ist eine ganz andere: „Sozialstaat und Freiheit, Solidarität und Individualität schließen einander nicht aus, sondern bedingen und ergänzen einander.“ (Sozialwort 2003, Nr. 212). Daher fordern die Kirchen einen „aktiven Sozialstaat“, „Maßnahmen einer Mindestsicherung“, eine „Weiterentwicklung des umlagefinanzierten Pensionsversicherungssystems“, eine „Sozialverträglichkeitsprüfung“ vor Beschluss von Gesetzen und betonen, dass Selbstbehalte „Kranke und damit überproportional Familien und ältere Menschen“ treffen.

Soziale Steuerpolitik
„Steuern müssen dem Staat die Erfüllung seiner Aufgaben ermöglichen“ (Sozialwort 222). Diese Aufgaben sind immer größer geworden als Folge steigender Ungleichheit und wachsender Umweltbelastung. Aus christlicher Sicht gilt daher: „Die Kirchen treten ein für ein gerechteres Steuersystem, das die Belastung der Erwerbsarbeit durch Steuern und Abgaben verringert, dafür andere Faktoren stärker belastet.“ (Sozialwort 206).

Angesichts der sozialen und ökologischen Herausforderungen sind (etwas) höhere Beiträge der Gut- und Bestgestellten zum Gemeinwesen ein viel besserer und viel „christlicherer“ Weg als eine Sparpolitik. Denn wenn gespart wird, müssen nur jene etwas beitragen, die bisher vom Staat etwas bekommen haben – die sozial Schwachen also mehr als die Bestgestellten.

Unser Bündnis für soziale Gerechtigkeit
Wir wollen ein breites und wachsendes Bündnis schaffen zwischen sozial engagierten ChristInnen, kirchlichen Laienorganisationen und AmtsträgerInnen sowie Hilfsorganisationen der Zivilgesellschaft. Ein friedliches Zusammenleben in sozialer Gerechtigkeit ist das große Ziel. Wir wollen Wege aufzeigen, wie man diesem Ziel näher kommen kann in einem Prozess des Suchens, der gelebten Solidarität, aber auch des politischen Engagements. Papst Franziskus brachte es auf den Punkt: „Niemand darf sich von der Sorge um die Armen und um die soziale Gerechtigkeit freigestellt fühlen“. (Evangelii Gaudium, 205)

Sozialstaat als organisierte Solidarität
Ohne die Sicherung und die Erneuerung des Sozialstaats werden wir uns von Gemeinwohl und sozialer Gerechtigkeit weiter entfernen. Den Phrasen wie „Jeder ist seines Glückes Schmied“, „der Tüchtige schafft es“, „Raus aus der sozialen Hängematte“ halten wir den nüchternen Befund entgegen: Seit diese Haltungen die Politik prägen, haben Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Armut, und die Segmentierung der Gesellschaft immer mehr zugenommen.

Es bedarf einer „entsprechenden Weiterentwicklung des Sozialstaats.“ (Sozialwort 2003, Nr. 224) In den letzten Jahren sind die Herausforderungen massiv gestiegen, zuletzt durch die Schutzsuchenden. Deshalb gilt: „Ein ‚schlanker Staat‘ kann kein Selbstzweck sein.“ (Sozialwort 223), es bedarf einer „solidarischen Finanzierung“: „Unter dem Vorwand der Unfinanzierbarkeit [der Sozialversicherung] die Risiken zu privatisieren und damit die Schwächeren überdurchschnittlich zu belasten, bedroht den solidarischen Zusammenhalt.“ (Sozialwort, 219).

Ein gutes Leben für alle Menschen und Frieden in Gerechtigkeit
Unserer Kampagne möchte das Ziel der sozialen Gerechtigkeit ins Zentrum der gesellschaftspolitischen Debatten zu rücken. Dabei müssen wir Konflikte mit selbsternannten ChristInnen austragen, uns auf die Seite der Ausgegrenzten stellen und uns an das Wort von Papst Franziskus halten: „Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straße hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die auf Grund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“ (Evangelii Gaudium 49)

Besonders in Zeiten sozialer Not von immer mehr Menschen verlangt Nächstenliebe auch politisches Engagement: „Da kann man nichts machen ist der gottloseste aller Sätze“ (Dorothee Sölle).

Dieser Grundsatztext wurde am 18. November 2016 in Wien vorgestellt.

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