… das Christentum in der Geschichte schmerzlich lernen musste, wie Abgrenzung, Ausgrenzung und Dämonisierung das Zusammenleben in Vielfalt vergiftet und eine Gesellschaft spaltet. Jahrhunderte lang war es unmöglich, als religiös Verschiedene gut zusammenleben zu können, wie die Blutspur christlicher Konfessionskriege zeigt. Der absolute Tiefpunkt war die Schoa, an der Kirchen maßgeblichen Anteil hatten. Doch sie bewirkte letztlich eine Umkehr.
Daher bekämpfen Kirchen heute den Antisemitismus und die Fremdenfeindlichkeit, betrachten „Muslime mit Hochachtung“ (II. Vatikanisches Konzil) und setzen sich für Religionsfreiheit ein. Religiöse Vielfalt gilt als gottgewollt, sie „beruht auf der Unermesslichkeit Gottes, der Liebe ist“ (J. Dupuis) und ermöglicht ein fruchtbares Zusammenleben und –arbeiten. So fragen sich Christinnen und Christen heute, ob sie mit dem Reichtum religiöser Pluralität, die wir letztlich Gott zu verdanken haben, angemessen umgehen.
Univ.-Prof. i.R. Dr. Martin Jäggle
Institut für Praktische Theologie der Universität Wien
u.a. Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit; Mitglied des Kuratoriums der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE)