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Wir müssen die Debatte über das Grundeinkommen forcieren!

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Unterstützen Sie die Europäische Bürger*innen-Initiative und das Volksbegehren in Österreich!

„Christlich geht anders – solidarische Antworten auf die soziale Frage“ ruft dazu auf, die Europäische Bürger*innen-Initiative Bedingungsloses Grundeinkommen zu unterschreiben und die Einleitung eines Volksbegehrens in Österreich breit zu unterstützen. Eine öffentliche Debatte über das Grundeinkommen ist dringend nötig. Spätestens jetzt – inmitten von Covid-Pandemie und sozialer und Klimakrise – muss das Thema gesamtgesellschaftlich ernsthaft diskutiert werden. Die politisch Verantwortlichen sollten die Debatte nicht länger scheuen und statt eines ‚Zurück-zum-Davor‘ das Nachdenken über diese soziale Innovation befördern.

Hintergrund ist unser Soziales Manifest für die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen „Die Hoffnung ist kühn“, in dem wir u.a. eine ausreichende existenzielle Absicherung für alle fordern.

Soziale Sicherheit soll nicht länger am Nadelöhr Erwerbsarbeit hängen

Das Bedingungslose Grundeinkommen ist die politische Debatte wert, weil die Forderung mit der Würde des Menschen begründet werden kann und auf eine echte Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft abzielt. Da sehen wir Übereinstimmung mit christlichen Werten. Die meisten Menschen – insbesondere Frauen – sind von sich aus tätig und leisten damit einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft. Ihre materielle Lage verbessert das ebenso wenig wie die gesellschaftliche Anerkennung dieser Tätigkeiten. Alle Menschen brauchen aber Einkommen.

Dem trägt das Bedingungslose Grundeinkommen Rechnung, indem soziale Sicherheit nicht mehr am Nadelöhr Erwerbsarbeit hängt und der gesellschaftliche Reichtum wieder mehr von oben zur Mitte bzw. nach unten verteilt wird. Für die Diskussion über den Wert von Arbeit und was wir einander an Ressourcen für ein gutes Leben zugestehen, kann das Thema Bedingungsloses Grundeinkommen sehr hilfreich sein.

Die Folgen der Corona-Pandemie haben Konstruktionsmängel im Sozialsystem noch deutlicher offengelegt als bisher: Ob Arbeiteri*nnen oder Angestellte, ob Kleinunternehmer*innen, Künstler*innen oder Bäuer*innen, trotz umfangreicher Maßnahmen zur Krisenbewältigung seien Menschen tausendfach in die Krise geraten und existenziell bedroht. Wir müssen den Sozialstaat krisenfest machen und weiterentwickeln. Neben einer gut ausgebauten sozial-ökologischen Infrastruktur kann künftig auch ein bedingungsloses Grundeinkommen ein wesentlicher Eckpfeiler sein. Das gilt es nun zu diskutieren!.

Bedingungsloses Grundeinkommen stärkt politische Partizipation

In einer demokratisch verfassten Gesellschaft ist politische Teilhabe ein hohes Gut. Wir haben aber gesehen, dass sich immer mehr Menschen von Wahlen fernhalten, weil sie denken, dass ohnedies nichts in ihrem Sinne entschieden wird. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist auch im Sinne der Demokratie, weil politische Partizipation – weit über das aktive und passive Wahlrecht hinaus – gestärkt würde. Das ist ein weiterer guter Grund, um über ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu reden.

Unterstützen auch Sie diese beiden Initiativen:

Volksbegehren „Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen“

Europäische Bürgerinitiative „Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) in der gesamten EU“

„Die Hoffnung ist kühn.“ (Fratelli tutti 55)

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Soziales Manifest für die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen.

Am 18. November 2016 trat die Initiative Christlich geht anders (CGA) erstmals mit einem Grundsatztext an die Öffentlichkeit. Dieser Text macht vor allem auf Phänomene wie Arbeitslosigkeit, die Not der Geflüchteten und Armut in ihren mannigfaltigen Ausprägungen aufmerksam. Im Licht der christlichen Grundbotschaft der Verbundenheit von Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe wird die Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit und der Stärkung des Sozialstaats als Ausdruck „organisierter Solidarität“ betont.

Seitdem hat Christlich geht anders durch eine Vielzahl von Aktivitäten die Prinzipien des Textes öffentlich vertreten. Das CGA-Spiel, unzählige Veranstaltungen, die Veröffentlichung eines Buchs, die Aufnahme von Podcasts sowie eine Vielzahl von Blogs, Artikeln und anderen Beiträgen sprechen unterschiedliche Menschen an; die Reaktionen zeigen das Ausmaß des Interesses und der persönlichen Betroffenheit durch sozialpolitische Themen.

Der Text hat folglich nichts von seiner Bedeutung verloren; ganz im Gegenteil zeigt uns die Corona-Krise wie durch ein Brennglas die sozialen Verwerfungen und Ungleichheiten in der Gesellschaft. Was vorher gerade noch verschweigbar und versteckbar war, ist in den letzten Monaten mit einer großen Vehemenz zum Vorschein gekommen: ob die „HeldInnen der Heimat“, die Jungen oder die MigrantInnen, sie alle stehen für Systemrelevanz, sind aber viel zu selten Thema des öffentlichen Diskurses.

Daher hat sich CGA entschlossen, die Hauptthesen noch einmal zu schärfen und um Erkenntnisse aus der Corona-Krise zu erweitern. Aus der Sicht von CGA soll das Ziel politischen Handelns nicht sein, zur früheren „Normalität“ zurückzukehren, sondern die Krise als Motor zur Veränderung zu nützen. Dass dies bei entsprechendem politischen Willen auch rasch und umfassend möglich wäre, ist eine der wesentlichen Erkenntnisse der letzten Wochen.

Als christliche Initiative regt Christlich geht anders vor allem auch eine Reflexion im Lichte des Glaubens an, in denen man sich im Dialog und in Lernprozessen auf eine Spurensuche nach den theologischen Dimensionen dieser Krise macht.

Das vorliegende Statement soll ein Anstoß für eine öffentliche Debatte über eine gerechte Zukunft sein. Dieser Diskurs soll sich in unterschiedlichen Räumen und Netzwerken und vor allem unter reger Beteiligung derjenigen entwickeln, die in den letzten Monaten oft erwähnt, aber viel zu wenig als aktiv Beteiligte an solchen Gesprächen gesehen werden.

In diesem Sinn werden im Folgenden den Einsichten aus der Krise jeweils politikrelevante Zielvorstellungen beigestellt. Diese sind ihrerseits bereits Ergebnisse einer Vielzahl von Konsultationen und Diskussionen unter den Christlich geht anders tragenden Organisationen und Personen.

1. Zukunftsorientierte Politik mit globaler Perspektive

Die Krise macht deutlich, dass

  • die Europäische Idee einer solidarisch getragenen Gemeinwohlorientierung gestärkt werden muss.
  • zur weltweiten Verbreitung des Covid-19-Virus zwar der global vernetzte und Gewinne optimierende Lebensstil des wohlhabenden Teils der Menschheit am meisten beigetragen hat, es überall aber die armen und benachteiligten Menschen sind, die unter der dadurch verursachten gesundheitlichen, ökonomischen und sozialen Krise am meisten leiden.
  • die globale „Flüchtlingskrise“ weiterhin mit bislang 80 Millionen geflüchteter Menschen weltweit (vgl. UNHCR) dramatisch ist, und an der EU Außengrenze in Bosnien und auf den griechischen Inseln Geflüchtete in Europa unter menschenunwürdigsten Bedingungen und ohne Perspektive leben.
  • ein auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtetes Wirtschaftssystem, das alles rund um einen großen globalen Markt organisiert, krisenanfällig ist; nicht nur bei Pandemien, sondern auch bei katastrophalen Klimaänderungen und geopolitischen Konflikten.

Daher braucht es

  • eine Aufklärung über die gemeinwohlschädigende nationalistisch orientierte Kleinstaaterei, gerade auch aus christlicher Perspektive.
  • eine Globalisierung der Solidarität mit den Menschen des globalen Südens, deren Not unbeschreiblich geworden ist.
  • eine sofortige Unterstützung der geflüchteten Menschen an der EU Außengrenze in Griechenland und in Bosnien sowie die Aufnahme der besonders gefährdeten Flüchtlingsgruppen in die EU und nach Österreich.
  • eine globale Verantwortung durch aktive Klima-, Friedens- und Entwicklungspolitik.
  • eine zukunftsfähige Politik, die solidarische Wirtschaftsmodelle fördert, die auf einer florierenden Alltagsökonomie mit Schwerpunktsetzung auf Care-Ökonomie, einer lebendigen Nahversorgung im Dorf und in der Stadt und einer funktionierenden Daseinsvorsorge aufbauen.

2. Sozialstaat mit Gestaltungskraft

Die Krise macht deutlich, dass

  • es Bereiche der Arbeitswelt gibt, die für eine funktionierende Wirtschaft und Gesellschaft besonders wichtig, jedoch von prekären Bedingungen und schlechter Bezahlung geprägt sind.
  • gleichzeitig kapitalvermögen besitzende Menschen gegenüber arbeitenden Menschen einen nicht einholbaren Vorteil genießen.
  • unzureichende Unterstützung bei Arbeitslosigkeit für viele Menschen bedeutet, in die Armut und Perspektivenlosigkeit abzurutschen.
  • sich in Krisenzeiten die Unterschiede im Zugang zu Macht und Ressourcen zwischen den Geschlechtern, zwischen arm und reich, zwischen Ländern und Kontinenten verstärken.

Daher braucht es

  • gerechte Steuern, die Vermögen und Gewinn zur Finanzierung des Gemeinwesens heranziehen.
  • einen starken Sozialstaat, der bei der Bewältigung der Corona-Krise auch die Bewältigung der Klima-Krise berücksichtigt.
  • einen starken Sozialstaat, der in den öffentlichen Sektor investiert und die Care-Arbeit leistungsgerecht entlohnt.
  • eine volle arbeits- und sozialrechtliche Absicherung aller in Österreich tätigen Menschen.
  • eine ausreichende existentielle Grundsicherung für alle.

3. SystemerhalterInnen haben viele Nationalitäten

Die Krise macht deutlich, dass

  • Österreich Frauen und Männern ohne österreichischen Reisepass oder „mit Migrationshintergrund“ vielfältige systemerhaltende Leistungen in der Krise verdankt.
  • MigrantInnen vorwiegend in prekären oder gar Ausbeutungsverhältnissen arbeiten, das heißt schlecht bezahlt und als erste entlassen werden.
  • viele MigrantInnen nicht ihren Qualifikationen gemäß eingesetzt werden.

Daher braucht es

  • eine spürbare Anerkennung dieser Leistungen, insbesondere auch materiell.
  • eine Ächtung rassistischer, ausschließender und diskriminierender politischer Sprache.
  • eine effiziente Anti-Diskriminierungspolitik in vielfältigen Bereichen wie Arbeitsmarkt, Bildungswesen oder Wohnungsmarkt.

4. Junge Menschen brauchen Perspektiven

Die Krise zeigt, dass

  • wir auf die Stimmen und Anliegen von Kindern und Jugendlichen hören müssen.
  • viele junge Menschen, die für die Wirtschaft nicht so relevant sind, von der Politik in dieser Krisenzeit vernachlässigt und alleine gelassen werden.
  • sozial bedingte Bildungsnachteile die Ungleichheit in der Gesellschaft verstärken.

Daher braucht es

  • ein Bildungssystem, durch das alle Kinder und Jugendlichen eine reale Chance bekommen, an der Gesellschaft teilzuhaben und diese zu gestalten.
  • eine offene Debatte darüber, wie Kinder, Jugendliche und ihre Familien in der Krise und der Folgezeit unterstützt werden können, um ihnen so eine Zukunftsperspektive zu vermitteln – eine Diskussion, bei der auch Kinder und Jugendliche selbst gehört werden müssen.
  • Bildung, die die Menschen befähigt, ihre und die Situation der Gesellschaft zu erfassen, um an deren Gestaltung mitwirken zu können.
  • eine auf empirischen Studien aufgebaute Politik gegen Kinderarmut und für die Förderung von Bildungsbenachteiligten.

5. Soziale Gerechtigkeit heißt auch Geschlechtergerechtigkeit

Die Krise macht deutlich, dass

  • hauptsächlich Frauen sogenannte „System erhaltende“ Arbeit verrichten, und das meist niedrig entlohnt, zu schlechten Arbeitsbedingungen oder überhaupt unbezahlt.
  • hauptsächlich Frauen es sein werden, die ihre Kosten zu tragen haben.

Daher braucht es

  • eine faire Aufteilung von Erwerbsarbeit, Einkommen und privater Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen, Arbeitszeitverkürzung und andere Instrumente zur geschlechtergerechten Verteilung von Ressourcen sowie der Sicherung der Existenz aller.
  • eine Aufwertung von Sorgearbeit auf allen Ebenen, insbesondere der finanziellen.
  • eine geschlechtergerechte Budget-, Finanz- und Steuerpolitik.

„Anpacken, nicht einpacken!“

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„Menschen suchen Lebendigkeit“, so lautet das Credo von Ferdinand Kaineder, und so könnte auch das Fazit seines neuen Buches „Anpacken, nicht einpacken!“ (Herder 2020) zusammengefasst werden. „Wo Lebendigkeit ist, da möchte ich mit dabei sein“, sagt Kaineder. Er schreibt über die lebendig machenden Dynamiken von Organisationen, Vereinen, Bewegungen, Initiativen und Communities. Seine Erfahrungen in diesem Bereich subsummierte er in sein „DREIRAUMMODELL“, deren einzelne Räume „Mitmachen“, „Vernetzen“ und „Verstehen“ dabei helfen sollen, Lebendigkeit, Zukunft und wesentliche Aspekte von solidarischen und vielfältigen „Gemeinschaften“ sichtbar zu machen und weiterzuentwickeln. Er beschreibt darin prägnant die Grundprinzipien der Soziallehre der Kirche und lässt die Grundoptionen von „Christlich geht anders“ immer wieder einfließen. Ein Ermutigungsbuch für alle, denen eine nachhaltige und solidarische Zukunft ein Anliegen ist.

Näheres zum Buch gibt es bei Herder …

Zukunft der ksoe: Brief an die Bischöfe

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Sehr geehrte Mitglieder der österreichischen Bischofskonferenz,

Ich habe nachfolgenden Brief an die Bischöfe geschickt, die mit der Neuausrichtung der ksoe betraut sind und mir ist es wichtig, auch Sie darüber zu informieren.

Es ist keine gute Erfahrung, mit 80 Jahren seine spirituelle, psychische und physische Heimat zu verlieren. Aber wenn ich mir redliche Rechenschaft gebe, so muss ich feststellen, dass ich mich in der katholischen Kirche nicht mehr zu Hause fühlen kann, obwohl ich mit vielen Menschen dort eng verbunden bin. Das ist eine lange Entfremdungsgeschichte, den letzten Anstoß allerdings gab für mich, wie seitens der Kirchenleitung mit der Katholischen Sozialakademie Österreichs umgegangen wird. Diese Handlungsweise fügt sich nahtlos in Erfahrungen, die ich als Frau, Mutter, Großmutter und auch als Funktionärin der Katholischen Aktion machen musste.

Die Katholische Kirche ist seit ich auf der Welt bin meine Heimat. In der Nachkriegszeit hat unser Kaplan für uns Kinder alles getan, damit der graue Alltag bunt und abwechslungsreich für uns wurde. Filmvorführungen, Sportfeste, Ausflüge lockten uns in die Jungscharstunden.

Das Ergebnis war, dass am Sonntag die Kirche allein mit uns Kindern voll war. In der Jugend war es dann die Diözesansportgemeinschaft in der wir lernten, dass Wettbewerb und Solidarität gut zusammenpassen. Der Freundeskreis aus Pfarre und Sport ist einander bis heute und das heißt, bis zum Tod, eng verbunden geblieben. Später waren es die Familienrunden, wo wir einander beistanden und über Gott und die Welt diskutieren lernten. Es war die Zeit des Konzils und für mich sind damals wirklich die Türen zu einer offenen Kirche aufgegangen.

Ich habe den theologischen Kurs absolviert und dort viel von den weltoffene intellektuellen Theologinnen und Theologen gelernt. Die Katholische Frauenbewegung hat mich gelehrt, als Frauen weltweit miteinander und füreinander da zu sein. Wir haben gelernt, unsere Stimme in Kirche und Gesellschaft zu erheben und ich bin unendlich dankbar dafür, dass wir dort einen reflektierten Umgang miteinander eingeübt haben. Das hilft mir, die Mühen des Alters leichter zu ertragen.

Und immer war es auch die ksoe, die Impulse gab und meinen Horizont erweiterte. Als beispielgebend für ein dialogisches Erarbeiten von Standpunkten ist mir die Entstehung des Sozialworts der Kirchen unter Federführung der ksoe in Erinnerung. Da wurde die soziale Kompetenz und Glaubwürdigkeit kirchlicher Einrichtungen ernst genommen und in einer ersten Phase bei allen Gemeinden, Initiativen und Gruppen aller Kirchen erhoben, wie ihre soziale Praxis aussieht und welche Forderungen sie an Kirche und Politik haben. Danach wurden diese Ergebnisse zusammengefasst und präsentiert und auf dieser Grundlage das Sozialwort der Kirchen verfasst. Eine solche dialogische und zukunftsweisende Vorgangsweise ist nicht nur im kirchlichen Raum einzigartig sondern auch für Kirche und Gesellschaft beispielhaft. Es ist mir deshalb unverständlich, dass gerade diese wegweisende und nachahmenswerte Arbeit der ksoe einem „Relaunch“ unterzogen werden soll.

Das Misstrauen gegenüber der breit aufgestellten gesellschaftspolitischen Arbeit der ksoe mag damit zusammenhängen, dass eine mit so vielen Traditionen behaftete Organisation wie die katholische Kirche sich schwer tut, mit Menschen aus anderen kulturellen und politischen Milieus in einen zukunftsweisenden Dialog zu treten. Eine bürgerliche Mittelstandskirche vergisst zu leicht ihr spirituelles Fundament und ihren Platz auf Seiten der benachteiligten Menschen. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Meine Kinder haben sich jahrelang in der Jungschar engagiert.

Sie haben Ferienlager organisiert und viel Freizeit mit Kindern verbracht, alles ehrenamtlich und von der Kirchenleitung unbedankt. Das Ergebnis ihrer Arbeit kann sich allerdings sehen lassen. Viele dieser „Jungscharkinder“ engagieren sich in gemeinnützigen Vereinen und in der Politik – die Kirche allerdings bot für sie keinen tragfähigen spirituellen Boden, zu eng und abgehoben war die geforderte religiöse Praxis.

Denn die Zeit der Befreiungstheologie und der Basisgemeinden war vorbei. Statt des Dialogs waren wieder Befehle von Oben angesagt. Mein Sohn, der noch als Wirtschaftswissenschaftler in brasilianischen Basisgemeinden geforscht hat, war mit der würdelosen Entmachtung von Bischof Arns und seinen Mitstreitern das Feuer für die Kirche erloschen. Das Ergebnis dieser Handlungen der damaligen Kirchenleitung kann man in Brasilien jetzt ernten. Die einst mächtige Katholische Kirche Brasiliens ist zu einer unbedeutenden Organisation geschrumpft, die von den USA finanziell und personell gepushten Freikirchen haben die Leerräume machtvoll gefüllt und einen menschenverachtenden Despoten zum Präsidenten gemacht.

Als Funktionärin der Katholischen Frauenbewegung musste ich ebenfalls erfahren, dass das ehrenamtliche Engagement von uns Frauen von ständigem Misstrauen der Kirchenleitung begleitet war. Die nur allzu berechtigten Forderungen nach Gleichberechtigung auf allen Ebenen wurden als Hirngespinste abgetan. Gleichzeitig wurden die finanziellen Mittel zur Unterstützung der Arbeit in den Pfarren ständig gekürzt. Der weltkirchliche Auftrag zur Entwicklungszusammenarbeit seitens der Organisationen der Katholischen Aktion übertrifft die staatlichen Leistungen und genießt breite gesellschaftliche Anerkennung.

Für die Kirchenleitung ist das allerdings ein Nebenschauplatz. Da fügt es sich ins Bild, dass das Afro-Asiatische Institut Wien, in dem die Katholische Frauenbewegung eine wichtige Rolle spielte, vor Jahren ebenfalls einem „Relaunch“ unterzogen wurde und dieses bedeutende interkultuelle Begegnungszentrum ein auf religiösen Austausch beschränkte Funktion erhielt und bald darauf ganz zugesperrt wurde. Eine Handlung, die angesichts des zunehmenden Migrationsgeschehens kurzsichtig, wenn nicht verantwortungslos war.

Die Wahl eines neuen Papstes ließ viele von uns, die wir vom Konzil und der Befreiungstheologie geprägt waren, wieder hoffen. Franziskus knüpft an die Zeit an, als die Kirche ihren christlichen Auftrag ernst nahm und eine gesellschaftsverändernde soziale Rolle gespielt hat. Er stellt die Kirche wieder in die Nachfolge Jesu und erteilt den weltabgewandten und damit die herrschenden Machtverhältnisse stabilisierenden Vertretern eines „Eventchristentums“ eine Absage.

Und wieder war es die ksoe die sich die Verbreitung der päpstlichen Sozialenzyklika zur Aufgabe gemacht hat. In breiten Gesellschaftsschichten wurde sie diskutiert und damit ausgeglichen, dass innerkirchlich und vor allem von den Pfarrern nicht sehr viel dazu gesagt und gemacht worden war. Damit stellte sich die ksoe ganz in den Dienst der Verbreitung der Botschaften des Papstes – Wieso dann ein „Relaunch“?

Natürlich geht es dabei um die Auseinandersetzung mit der christlichen Soziallehre und die Deutungshoheit darüber. Das ist ein ambivalentes Thema. Zu viele berufen sich darauf, wahren Vertreter dieser Lehre zu sein und da ist eine Auseinandersetzung wirklich dringend geboten. Als eine nun alte Frau, die von ihren Eltern noch viel über die Zwischenkriegszeit erfahren hat, kann ich der Kirchenleitung nur empfehlen, historisch redlich vorzugehen und auch die eigenen Verstrickungen kritisch zu reflektieren und Schuld einzugestehen. Man sollte nicht vergessen, dass der Antisemit Lueger ein christlichsozialer Politiker war. Ganz zu schweigen von der unheilvollen Zeit zwischen 1934 und 1938, als ein sogenanntes „christlichsoziales“ Regime eine von der Kirche getragene Diktatur installierte. Christlichsozial kann also vieles sein und man muss sehr genau hinschauen.

Die ksoe hat es geschafft, entsprechend ihres christlichen Auftrags, eine konsequente Haltung auf Seite der Benachteiligten in der Gesellschaft einzunehmen und von diesem Ort aus soziale Forschung und Bildungsarbeit zu gestalten, das passt vielen, die ein Menschenbild der Ungleichheit vertreten, und vor allem jenen, die in der Nachfolge der christlichsozialen Partei der Zwischenkriegszeit stehen, nicht. Ich fürchte, dass Sie als Bischöfe sich zu Handlangern dieser gesellschaftlichen Gruppierungen machen, denn ich sehe die Gefahr, mittels eines „Relaunchs“ die ksoe zu einem Instrument der herrschenden Klasse umzufunktionieren.

Um klarzustellen, ich bin für den Dialog der verschiedenen weltanschaulichen Richtungen, das ist für alle bereichernd, denn niemand hat die Wahrheit gepachtet. Es geht aber darum, dass es eine echte Dialogbereitschaft auf allen Seiten gibt und nicht die Mächtigen in der Gesellschaft ihre Sicht der Welt ungehindert durchsetzen können. Die ksoe hat den Machtlosen eine Stimme gegeben und das passt eben vielen Mächtigen nicht.

Es müsste Ihnen als Verantwortliche in der Kirche doch zu denken geben, wie viele engagierte Christinnen und Christen Ihre Handlungsweise bezüglich der ksoe nicht verstehen. Können Sie es so locker wegstecken, das gesellschaftspolitisch engagierte soziale Potential endgültig zu verlieren?

Ich werde weiterhin versuchen, als Christin zu leben und mich mit allen in der Katholischen Kirche verbünden, die für ein gutes Leben aller Menschen eintreten. Die ksoe ist für mich die Organisation, die am treuesten die Lehre des gegenwärtigen Papstes vertritt, dass gerade sie einer Umgestaltung unterzogen werden soll, macht mich in dieser Kirche aber heimatlos.

Es war mir ein Bedürfnis, nicht schweigend zuzusehen, wie wieder ein Stück meiner Kirchenheimat demontiert wird und ich hoffe, Sie haben Verständnis für meine Sorge um die Zukunft der Kirche, deren Rolle als „Sauerteig“ der Gesellschaft unverzichtbar für das gute Leben aller ist.

Mit freundlichen Grüßen

Traude Novy

Über eine demokratische Gestaltung des Wirtschaftslebens

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Andi Wahl (Freies Radio Freistadt) lud Heinz Mittermayr zu einem Gespräch über die Verantwortung von Christinnen und Christen für eine gerechtere Welt.

Heinz Mittermayr ist Abteilungsleiter der Katholischen Arbeiter_innenbewegung der Diözese Linz, Theologe und Aktivist der globalisierungskritischen Formation Attac. Mit Ihm führte Andi Wahl ein Gespräch über Verantwortung von Christinnen und Christen für eine diesseitige gerechte Welt, Befreiungstheologie, eine Wirtschaftsordnung die sich an menschlichen Bedürfnissen orientiert und Lehren aus der Covid-19-Krise. Mittermayrr fordert dabei die Politik auf, Rahmenbedingungen zu schaffen die sowohl den Menschen, als auch der Eindämmung der Klimakrise dienen.

Ebenfalls besprochen wurde ein kürzlich veröffentlichter Text, der die Position der KAB und weiterer christlicher Gruppen zum Themenfeld Verantwortung-Gerechtigkeit-Solidarität zusammenfasst.

Die Sendung (Dauer ca. 1 Stunde)  wurde bereits ausgestrahlt und kann HIER nachgehört werden.

Franz Helm: Nein zu einer einseitigen Rezeption der Amazonien-Synode

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Als Geistlicher Assistent der KFBÖ protestiere ich gegen die derzeitige Engführung bei der Rezeption der Amazoniensynode in Österreich. Statt den Schrei nach Leben und Überleben zu hören und nach solidarischen Antworten zu suchen, die zur Rettung des einzigartigen Bioms beitragen, beherrscht fast ausschließlich das Thema „viri probati“ die Medien und auch die kirchliche Diskussion.

Wo ist eine Solidarisierung mit „Mutter Erde“, die in Amazonien und anderswo auf vielfältige Weise ausgebeutet und geschändet wird? Wo bleibt der Aufschrei darüber, dass ein selbsternannter österreichischer „Pro-Life-Aktivist“ während der Synode das Bildnis einer schwangeren indigenen Frau brutal in den Fluss geworfen hat? Diese schreckliche Tat steht für den rücksichtlosen, ja brutalen Umgang mit den indigenen Völkern, besonders mit den oftmals missbrauchten indigenen Frauen, und mit den bedrohten Lebewesen im Amazonasbecken und in vielen anderen Regionen der Welt.

Es scheint leichter zu sein, für noch mehr Männer in der katholischen Kirche Leitungspositionen zu sichern, als dass ernsthaft mit einer Veränderung des Lebensstils und dem dringend notwendigen Systemwandel begonnen wird. Dass Amazonien zerstört wird hat mit unserer westlichen Konsumgesellschaft zu tun, die hungrig nach Rohstoffen und Ackerland in anderen Kontinenten ist. Zum notwendigen Systemwandel gehört unbedingt auch eine vermehrte Beteiligung von Frauen an Leitungsverantwortung und ein gleichberechtigtes Mitgestalten und Mitentscheiden in der Gesellschaft und auch in der Kirche.

Denn die Gestaltungsmacht und die wirksame Präsenz der Katholischen Kirche vor Ort, in Amazonien und auch in Österreich, braucht alle Kräfte. Darüber hinaus leidet die Katholische Kirche massiv an einem Defizit an Glaubwürdigkeit, weil sie die gleiche Würde der Menschen zwar predigt, aber durch den systematischen Ausschluss der Frauen vom Weiheamt und von Leitungsfunktionen nicht die notwendigen praktischen Konsequenzen daraus zieht.

Aufgrund ihres pastoralen Engagements in Österreich und ihrer Projektarbeit im Rahmen der „Aktion Familienfastttag“ weiß die KFB um das großartige Potential von Frauen für die anstehenden Transformationsprozesse. Es ist unbegreiflich für mich, dass es trotz der so dringlichen Situation weiter ignoriert wird.

Ich hoffe so sehr, dass die Amazoniensynode zu einem Anstoß wird, mutige neue Wege der Anerkennung, der Beteiligung und der Übertragung von Leitungskompetenzen zu setzen. Diese neuen Wege setzen einen wertschätzenden Dialog ohne Denk- und Redeverbote und mit einem offenen Ausgang voraus, auf den sich Leitungsverantwortliche und VertreterInnen verschiedener Gruppierungen einlassen müssen.

Die Amazoniensynode ist ein dringender Weckruf zu einem gemeinsamen Einsatz aller für den Schutz des Gemeinsamen Hauses, für eine Verteidigung des bedrohten Lebens und für eine geschlechtergerechte Gesellschaft und Kirche. „Alles ist miteinander verbunden“, heißt es in „Laudato Si“ von Papst Franziskus. Es brauchte die Verbundenheit aller, damit es für alle Menschen und alle Lebewesen eine gute Zukunft geben kann auf dem Planeten Erde, den Gott uns anvertraut hat.

P. Dr. Franz Helm SVD, Geistlicher Assistent der KFBÖ